
Nervöse Anleger Krise in Nahost drückt den DAX
Die plötzliche Abreise von US-Präsident Trump vom G7-Treffen hat die Anleger heute merklich verunsichert. Sie fürchten eine Ausweitung des Krieges. Der DAX gab die Gewinne vom Vortag wieder ab.
Die unsichere geostrategische Lage sorgte heute an der Börse für viel Unsicherheit. Neue Nahrung lieferte die plötzliche Abreise von US-Präsident Trump vom G7-Treffen. Mit viel Nervosität und Sorge blicken die Anleger derzeit in den Nahen Osten, wo sich der offene Krieg zwischen Israel und dem Iran ausweitet. Insbesondere die Frage, ob Trumps Abreise ein Zeichen für ein direktes Eingreifen der USA in den Konflikt sein könnte, kam am Nachmittag immer wieder auf.
Wie stets bei militärischen Konflikten, besonders in diesem ölreichen Krisengebiet, hat der Konflikt das Zeug dazu, der Weltwirtschaft größeren Schaden zuzufügen. Entsprechend nervös verläuft derzeit der Handel.
Der DAX blieb ganzen Tag im Minus und handelte dabei zwischen 23.315 und 23.550 Punkten. Zuletzt lag der deutsche Leitindex bei 23.434 Zählern um 1,12 Prozent tiefer. Der MDAX der mittelgroßen Werte gab in ähnlicher Größenordnung 0,95 Prozent nach und bleibt damit weiter unter der Marke von 30.000 Punkten.
Zum Wochenstart hatte der DAX noch um 0,8 Prozent auf 23.699 Punkte angezogen, da sinkende Ölnotierungen die Investoren trotz der anhaltenden Krise im Nahen Osten zurück in den Aktienmarkt gelockt hatten.
Die Stimmung drehte sich heute, weil US-Präsident Donald Trump den G7-Gipfel in Kanada völlig überraschend vorzeitig verlassen hat und das mit der Lage im Nahen Osten begründete. Anleger und Anlegerinnen stellen sich jetzt die Frage, ob die USA planen, militärisch in den Konflikt einzugreifen.
"Die Situation im Nahen Osten bleibt unübersichtlich und von Verhandlungen bis hin zu einem Eingreifen der USA in den Konflikt ist alles möglich", schrieb Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets. Die frühzeitige Abreise des US-Präsidenten vom G7-Gipfel könne sowohl für die eine als auch für die andere Option sprechen. Diese Unsicherheit lähme die Anleger in Frankfurt.
Trotz der Vielzahl der Belastungen, zu denen zuletzt auch wieder die steigenden Ölpreise hinzu gekommen sind, bleibt der DAX erstaunlich widerstandsfähig. Die Verluste halten sich insgesamt in Grenzen
"Erst das Zollchaos, jetzt der Konflikt zwischen Israel und dem Iran - Aktien zeigen eine enorme Resilienz vor dem Hintergrund ernsthafter Krisen." Das könne man nur damit erklären, dass viel Geld im Umlauf sei, das angelegt werden wolle, kommentiert Jochen Stanzl, Marktstratege bei CMC Markets, und weist auf die relative Stärke des Aktienmarkts hin.
Die wieder akute Furcht vor einer Ausweitung des Iran-Israel-Konflikts und einer möglichen Unterbrechung der Ölversorgung aus dem Nahen Osten rückt das schwarze Gold in den Fokus der Anleger. Sowohl Öl der Nordseesorte Brent als auch der US-Sorte WTI legten zuletzt rund 3,0 Prozent zu, nachdem sie zuletzt schon deutlich angezogen hatten.
Ein Barrel (159 Liter) Brent kostet zur Zeit absolut etwa 75 Dollar, über zehn Dollar mehr als vor der Iran-Krise. Die WTI-Notierung liegt aktuell ähnlich höher bei gut 72 Dollar.
An der Wall Street ist die Gemengelage ähnlich wie in Europa, die Anleger sind wegen der Eskalation der Lage in Nahost nervös. Allerdings grenzen die großen Indizes am Mittag Ortszeit ihre Verluste ein und stehen nur noch moderat rund 0,2 Prozent im Minus.
"Solange nicht klar ist, was der US-Präsident plant, ist die Unsicherheit hoch", kommentierte Portfoliomananger Thomas Altmann von QC Partners.
Der US-Einzelhandel hat derweil im Mai kräftige Umsatzeinbußen erlitten. Die Einnahmen gingen um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat zurück, wie das US-Handelsministerium am Nachmittag mitteilte. Befragte Experten hatten nur ein Minus von 0,7 Prozent auf dem Schirm, nach einem Rückgang von 0,1 Prozent im April.
"Die schwachen Pkw-Verkaufszahlen haben das Gesamtergebnis deutlich belastet und so wurde die Konsensschätzung sogar noch unterschritten", erläuterte Helaba-Experte Ralf Umlauf. Alles in allem dürften die Zahlen seiner Ansicht nach wohl dazu dienen, die Spekulationen auf zwei Senkungen der US-Leitzinsen im Jahresverlauf zu untermauern. Auf der Sitzung der Federal Reserve (Fed) am Mittwoch dürfte jedoch noch keine Lockerung beschlossen werden, meint der Ökonom.
Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, liest aus den Einzelhandelsdaten heraus, dass die Dynamik der US-Konsumenten weiter nachlässt, die bisher das Wirtschaftswachstum maßgeblich aufrechterhalten haben.
Unter den weiteren US-Konjunkturdaten für den Mai lagen die Industrieproduktion und die Kapazitätsauslastung leicht unter Erwartungen, die Importpreise stagnierten.
Am Devisenmarkt wird der Euro am späten Nachmittag leicht schwächer bei 1,1521 Dollar gehandelt. Der Dollar profitiert dabei von den aktuellen politischen Unsicherheiten. Zuvor hatte der Dollar noch rund einen halben Cent höher notiert.
Allerdings bleibt die Gemeinschaftswährung weiter auf hohem Niveau, denn neben dem strukturellen Vertrauensverlust in die Weltleitwährung durch die unberechenbare Politik der Trump-Regierung zeichnen die jüngsten Konjunkturdaten das Bild einer sich moderat abschwächenden US-Wirtschaft. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbank Federal Reserve (Fed) die immer noch hohen Leitzinsen alsbald senken könnte. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1568 (Montag: 1,1574) Dollar fest.
Europa lähmt sich bei dringend notwendigen Reformen nach Einschätzung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu oft selbst. Es dürfe "nicht länger zugelassen werden, dass ein einzelnes Veto den kollektiven Interessen der anderen 26 Mitgliedstaaten im Wege steht", schreibt die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) in einem Beitrag für die Financial Times, den die Notenbank auch auf ihrer Webseite veröffentlicht.
Der aktuell zu beobachtende tiefgreifende Wandel in der globalen Ordnung biete Europa die Möglichkeit, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und dem Euro weltweit zu mehr Bedeutung zu verhelfen, bekräftigte Lagarde: "Damit der Euro an Bedeutung gewinnt, muss Europa entscheidende Schritte unternehmen, indem es den Binnenmarkt vollendet, die regulatorischen Belastungen verringert und eine robuste Kapitalmarktunion aufbaut."
Die MTU-Aktie setzte sich an die DAX-Spitze, nachdem der Münchner Triebwerksbauer überraschend seine Prognose für 2025 erhöht hat. Der Konzern erwartet dank guter Geschäfte bis 2030 weitere deutliche Steigerungen. Der Umsatz dürfte im laufenden Jahr nun auf 8,6 bis 8,8 Milliarden Euro klettern, wie das Unternehmen überraschend auf der Pariser Luftfahrtmesse in Le Bourget am Nachmittag mitteilte.
Das um Sonderposten bereinigte operative Ergebnis (bereinigtes Ebit) soll um einen niedrigen bis mittleren 20er-Prozentsatz steigen. Damit legt der scheidende Vorstandschef Lars Wagner die Latte merklich höher. Für 2030 peilt er nun einen Umsatzanstieg auf 13 bis 14 Milliarden Euro an. Davon sollen 14,5 bis 15,5 Prozent als bereinigter operativer Gewinn übrig bleiben.
Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus hat am zweiten Tag der Paris Air Show einen weiteren Großauftrag an Land gezogen. Die vietnamesische Fluggesellschaft Vietjet unterzeichnete heute in Le Bourget einen Vorvertrag über 100 Mittelstreckenjets in der Langversion A321neo, wie der DAX-Konzern auf der Messe mitteilte. Der Auftrag könne noch um weitere 50 Maschinen wachsen, hieß es weiter.
Der weltgrößte Dialysekonzern Fresenius Medical Care (FMC) will mit weiteren Einsparungen seine Profitabilität verbessern. Bis 2030 strebt FMC eine operative Rendite im mittleren Zehnerprozentbereich an, wie das Unternehmen heute zu seinem Kapitalmarkttag in London mitteilte. Im vergangenen Jahr lag die Marge bei 9,3 Prozent. Erreicht werden soll das Ziel durch zusätzliche Einsparungen von 300 Millionen Euro, die eine Verlängerung des bestehenden Sparkurses um zwei Jahre bringen sollen.
FMC hatte sich zuletzt besser entwickelt als von Analysten erwartet - auch dank des Sparkurses von Vorstandschefin Helen Giza, den diese vor drei Jahren eingeschlagen hatte. Giza hatte den Konzern, der lange unter den Folgen der Corona-Pandemie, Personalmangel und steigenden Kosten litt, mit einem umfassenden Umbau wieder stabilisiert. Der Restrukturierungskurs umfasste unter anderem Stellenstreichungen und die Trennung von unrentablen Kliniken.
An der Börse kann das Unternehmen damit heute aber nicht punkten. FMC-Aktien verloren zeitweise mehr als fünf Prozent und blieben größter Verlierer im DAX. Seit Jahresbeginn hatten sie allerdings gut zwölf Prozent zugelegt. Der Konzern habe "nur" geliefert, was erwartet worden war, sagte ein Händler.
Der japanische Konzern SoftBank hat durch den Verkauf von 21,5 Millionen T-Mobile-Aktien zu je 224 Dollar 4,8 Milliarden Dollar eingenommen. Wie aus einem Arbeitspapier zwischen den beiden Unternehmen, das Reuters eingesehen hat, hervorging, wurden die Aktien in einer Preisspanne von 224 bis 228 Dollar pro Stück angeboten.
Der endgültige Preis lag etwa drei Prozent unter dem Schlusskurs von T-Mobile am Montag von 230,99 Dollar. SoftBank wird nach dem Aktienverkauf der zweitgrößte Aktionär von T-Mobile bleiben, hinter der Deutschen Telekom, die der größte Investor des US-Unternehmens ist. Die T-Aktie gehörte im DAX zu den größten Verlierern, T-Mobile-Papiere verlieren an der Nasdaq rund 4,3 Prozent.