
Millionenschwerer Anlagebetrug Urteil im Fall German Property Group
In einem der größten Anlegerskandale Deutschlands ist der Ex-Geschäftsführer der German Property Group zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Die strafrechtliche Aufarbeitung scheint abgeschlossen - doch es bleiben Fragen.
Charles Smethurst nimmt das Urteil am Landgericht Hildesheim sichtlich gelassen entgegen: Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der ehemalige Geschäftsführer Anleger um 26,5 Millionen Euro betrogen hat. Bereits 2018 sei laut Gericht klar gewesen, dass das Geschäftsmodell der German Property Group nicht tragfähig gewesen sei.
Trotzdem habe Smethurst weiterhin Geld bei einer französischen Investment-Gruppe eingeworben. Am Ende wurde er nun in vier Fällen für Betrug in besonders schwerem Fall zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verurteilt. Sein Geständnis und seine Kooperation seien Smethurst laut Gericht strafmildernd zugutegekommen. Der ehemalige Geschäftsführer der German Property Group ist bereits vorbestraft.
Angeklagt war Charles Smethurst ursprünglich wegen schweren Betrugs in 27 Fällen, mit einem Schaden von 56 Millionen Euro. Zum Prozessauftakt vor drei Wochen hatten sich die Staatsanwaltschaft und der 65-jährige Angeklagte und seine Verteidiger darauf geeinigt, gewisse Anklagepunkte fallen zu lassen unter der Bedingung, dass der ehemalige Geschäftsführer ein umfassendes Geständnis ablegt. Und das tat er auch.
Charles Smethurst gab an, eine französische Investment-Firma gezielt über die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens getäuscht zu haben, um weiterhin Geld von ihr zu bekommen. Dabei wurde das eingesammelte Geld nicht wie vorgegeben zum Ankauf von Immobilien verwendet, sondern für die Begleichung von Firmenrechnungen. Smethurst gestand, dass er generell schon viel früher "den Stecker hätte ziehen müssen" und gab sich reumütig: "Wirtschaftlich und auch menschlich bedaure ich die Situation sehr", so der ehemalige Geschäftsführer.
Verbleib von 800 Millionen Euro unklar
Trotz des Urteils bleiben viele Fragen im Skandal um die German Property Group offen. Der Insolvenzverwalter der German Property Group, Justus von Buchwaldt, versucht seit Jahren die Geldflüsse der Firma nachzuvollziehen. Dies sei aber ein sehr komplexes Verfahren, auch weil viel Geld nicht nur in Deutschland, sondern international bewegt worden sei.
Von insgesamt 1,3 Milliarden Euro an Zahlungseingängen konnte Justus von Buchwaldt lediglich den Verbleib von ungefähr 360 Millionen Euro klären. Der Verbleib von etwa 800 Millionen Euro "ist entweder nicht identifizierbar oder verdächtig", so von Buchwaldt. Smethurst selbst hat auch vor Gericht nicht offenbart, wo das Geld geblieben ist. Insgesamt sollen bis zu 25.000 Anleger betroffen sein.
Von Buchwaldt fürchtet, dass in diesem Verfahren bisher nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges aufgearbeitet werden konnte. "Es ist weiter ungeklärt, welche weiteren Personen an dem groß angelegten Betrugssystem beteiligt waren und wo ein Großteil des Geldes der Anleger verblieben ist."
Ähnlich sehen es die rund 100 Anleger aus Asien und Osteuropa, die der Hamburger Anwalt Jan Erik Spangenberg vertritt. Seine Mandanten sind über die bisherige Aufarbeitung enttäuscht und verärgert. Auch für Spangenberg bleibt die große Frage offen, wo die Gelder der Anleger hingeflossen sind. "Ein Großteil des Betrugs ist weder aufgeklärt noch zur Anklage gebracht worden", so der Anwalt.
Derzeit keine weiteren Ermittlungen
Zudem seien die Hintergründe des Betrugsfalls nicht umfänglich aufgeklärt worden, "dazu gehören auch mögliche Versäumnisse von Behörden". Trotz vieler offener Fragen laufen laut Staatsanwaltschaft Hannover derzeit keine weiteren Ermittlungen gegen mögliche weitere Mittäter. Damit scheint die strafrechtliche Aufarbeitung des riesigen Betrugsfalls abgeschlossen.
Anleger wie der Brite Mark Hambling können das nicht nachvollziehen. Er hatte vor knapp zehn Jahren mehrere 100.000 Euro in Geschäft von Charles Smethurst investiert, das Geld war Teil seiner Altersvorsorge. Bis heute wartet er auf sein Geld. Und er ist nicht allein. "Es gibt Menschen, die haben alles verloren", so Hambling.
Er begrüßt, dass Smethurst nun eine Gefängnisstrafe absitzen muss, allerdings findet er das Strafmaß vor dem Hintergrund des Ausmaßes des Betrugs enttäuschend. Auch er ist frustriert darüber, dass nur ein Bruchteil des Skandals überhaupt angeklagt wurde. "Für mich ist das eine klare Vermeidung von Verantwortungsübernahme", so Hambling.
Smethurst hatte parallel zum Strafverfahren auch seine Privatinsolvenz angemeldet. Nach NDR-Informationen geht es in diesem Insolvenzverfahren aktuell um die Restschuldbefreiung des ehemaligen Geschäftsführers der German Property Group. Über die ist laut dem zuständigen Amtsgericht Bückeburg bislang noch nicht abschließend entschieden worden. Sollte es zu einer Restschuldbefreiung kommen, würden offenbar alle Schuldner von Smethurst leer ausgehen.
Ein weltweit umfassendes Betrugssystem
Der NDR hat vor fünf Jahren, gemeinsam mit dem Bayrischen Rundfunk, der Süddeutschen Zeitung und der BBC maßgeblich dazu beigetragen, den millionenschweren Betrug aufzudecken. Bereits im Jahr 2008 begann Charles Smethurst über seine damalige Firma Dolphin Capital, später Dolphin Trust, nahezu ausschließlich bei ausländischen Anlegern Geld einzusammeln, um damit denkmalgeschützte Immobilien in Deutschland zu sanieren und anschließend teuer zu verkaufen.
Den Anlegern, die hauptsächlich aus Asien und aus dem Vereinigten Königreich stammen, wurde bei diesem Investment Renditen in Höhe von bis zu 15 Prozent jährlich versprochen. Die Recherchen von NDR, BR, BBC und Süddeutscher Zeitung zeigten, dass Charles Smethurst und Dolphin, später German Property Group, zwar überall in Deutschland denkmalgeschützte Immobilien erwarben. Doch statt sie zu entwickeln und zu verkaufen, ließen sie die meisten Liegenschaften offenbar verrotten.
Von mehr als 150 einzelnen Unternehmen wurden Immobilien erworben, so zum Beispiel das Schloss Dwasieden auf Rügen oder die ehemalige Klinik Ost in Flensburg. Rund 75 Immobilien in ganz Deutschland wurden Teil dieses Geschäfts. Mutmaßlich um den Anlegern Sicherheit zu suggerieren, wurden auch über Treuhänder hohe Grundschulden auf die teilweise baufälligen Gebäude ins Grundbuch eingetragen. Allerdings überstiegen die Eintragungen ins Grundbuch den Wert der jeweiligen Liegenschaften in vielen Fällen bei weitem und waren so als Sicherheit weitgehend wertlos.
Deutsche Behörden lange weitgehend tatenlos
2020 kam es zur Insolvenz der German Property Group. Und mit ihr kamen viele weitere Details des Skandals ans Licht. Unter anderem ist offenbar ein kleiner Teil der Anlegergelder in einen TV-Shoppingkanal investiert worden, mit dem Charles Smethursts Ehefrau unter anderem Mode vermarkten wollte. Sie bestreitet, Kenntnis von dem Betrug gehabt zu haben.
Außerdem zeigte sich bereits vor Jahren, dass deutsche Behörden sehr lange zugesehen haben. Seit 2013 sind laut Urteil für die meisten der rund 150 Gesellschaften keine Jahresabschlüsse mehr erstellt worden. Am Ende fehlten rund 700 Jahresabschlüsse. Doch außer Ordnungsgelder zu verhängen, passierte offenbar wenig.
Die Verteidiger von Charles Smethurst wollten sich nicht zum Urteil äußern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.