
Schleswig-Holstein Hamburg Vor 125 Jahren: Elbe-Lübeck-Kanal geht in Betrieb
Am 16. Juni 1900 eröffnet Kaiser Wilhelm II. den Kanal zwischen Elbe und Ostsee. Die Wasserstraße war fünf Jahre lang gebaut worden. Heute ist sie vor allem touristisches Schmuckstück, der Güterverkehr ist zurückgegangen.
Die Geschichte des Elbe-Lübeck-Kanals reicht zurück bis ins Mittelalter. Sein Vorläufer ist der Stecknitz-Kanal, der von 1392 bis 1398 zwischen Lübeck und Lauenburg gebaut worden ist. Er gilt als der erste Wasserscheidenkanal in Europa. Werner Hinsch vom Elbschifffahrtsarchiv in Lauenburg sagt dem NDR 2025: "Der Stecknitz-Kanal bestand ja im Prinzip aus zwei Flussläufen: im Norden die Stecknitz und im Süden die Delvenau, die in Mölln durch einen Höhenrücken getrennt waren. Diese beiden Flüsse zu verbinden, war die Hauptarbeit."
1398 wird zum ersten Mal Salz aus Lüneburg nach Lübeck transportiert. Im 14. und 15. Jahrhundert werden pro Jahr bis zu 50.000 Tonnen Salz auf dem Kanal verschifft. Rund 500 Jahre lang wird der Stecknitz-Kanal benutzt, um das "weiße Gold" zu transportieren. Dabei kommt mit den "Stecknitzprähmen" ein recht kleiner Schiffstyp zum Einsatz, der einen sehr geringen Tiefgang hat. Denn: Stellenweise ergibt sich wegen weniger natürlicher Zuflüsse eine sehr geringe Fahrtiefe in dem Kanal.
Große Elbschiffe sollen auch nach Lübeck kommen
Zum Ende des 19. Jahrhundert geht der Salztransport zurück, außerdem wird 1895 der viel größere Kaiser-Wilhelm-Kanal, der spätere Nord-Ostsee-Kanal, eröffnet. So kommt es zu dem Plan, dass ein neuer Kanal her muss, einer, der teilweise die alte Trasse des Stecknitz-Kanals benutzt.

Werner Hinsch vom Elbschifffahrtsarchiv in Lauenburg hebt die Bedeutung der Elbschiffe für den Kanal hervor.
Für die Planung und Bauleitung für den Kanal wird der Ingenieur und Lübecker Wasserbaudirektor Peter Rehder benannt, der laut Hinsch "ein enormes Gefühl dafür hatte, wie groß mache ich meine Schleusen, wie groß mache ich die Querschnitte im Kanal?" Hintergrund ist, dass die großen Elbschiffe, die schon im Verkehr nach Hamburg gefahren sind, auch Lübeck ansteuern können. "Das größte Elbschiff, das auf der Elbe damals fuhr, war 79 Meter lang und 11,60 Meter breit", führt Experte Hinsch weiter aus.
Millionen Kubikmeter Erde werden mit Schaufeln bewegt
Spätestens als am 31. Mai 1895 der Grundstein für den neuen Kanal gelegt wird, ist klar, dass das Vorhaben gigantisch ist: 3.000 Arbeiter werden in Spitzenzeiten mit der Arbeit am Elbe-Lübeck-Kanal - bis 1936 heißt er übrigens noch Elbe-Trave-Kanal - beschäftigt sein. Ein Knochenjob: 105 Millionen Kubikmeter Erde werden bewegt, größtenteils mit Spitzhacke und Schaufel. "Das meiste war Handarbeit, mit Loren und Schiebkarren. Das in so einer kurzen Zeit zu schaffen, das war nicht zu glauben", sagt Werner Hinsch. Nur knapp fünf Jahre lang wird geschaufelt, begradigt und gesichert, bis der Kanal schließlich geflutet und befahrbar ist - auf einer Länge von 62 Kilometern und mit einer Wassertiefe von 2,50 Metern.
Die Schleusen am Kanal funktionieren nach dem sogenannten Hotoppschen Prinzip. Entworfen hat sie der Wasserbauinspektor Friedrich Ludwig August Hotopp. Ohne weitere künstliche Energiezufuhr, wie elektrischer Strom oder Dampfkraft, wird lediglich die Wasserkraft des Kanaloberwassers eingesetzt, um die Schleusenkammern zu füllen und zu entleeren.
Pompöses Ereignis: Kaiser Wilhelm II. kommt zur Eröffnung
Die Kanal-Einweihung in Lübeck am 16. Juni 1900 nimmt Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich vor. Es herrscht Kaiserwetter, rund 1.200 Ehrengäste sind geladen, die Straßen geschmückt, Tausende Menschen in Feierlaune. Die jubelnden Menschen begrüßen den Kaiser. Dieser besteigt am Kaisertor mit seinem Gefolge den Dampfer "Lubeca", der - gefolgt von anderen Schiffen und Booten - zum Festplatz am Burgtor fährt. Die "Lubeca" zerteilt das Band, das über dem Wasser gespannt ist. Mit Fanfaren und Böllerschüssen wird der Elbe-Trave-Kanal eröffnet - die modernste Binnenwasserstraße ihrer Zeit, die von den Lübeckern durchaus als Konkurrenz-Projekt zum Kaiser-Wilhelm-Kanal betrachtet wird. "Möge der Kanal, den Sie mit unverwüstlicher Hanseatischer Thatkraft in Angriff genommen haben, in jeder Beziehung Ihren Erwartungen entsprechen!", wünscht Kaiser Wilhelm II. den Feiernden.

Mit einem feierlichen Akt wird am 31. Mai 1895 der Grundstein für den Elbe-Trave-Kanal gelegt, der ab 1936 Elbe-Lübeck-Kanal heißen soll.
Dann fährt der Elbkahn Nr. 57 mit einer Ladung Braunkohle in den Lübecker Hafen ein. Der Alltag auf dem Kanal hat begonnen. Fast 23 Millionen Mark hat das Unterfangen bis hierher verschlungen.
Elbe-Lübeck-Kanal verhilft Wirtschaft zum Aufschwung
Doch die Wasserstraße von Lauenburg nach Lübeck lohnt sich. Nachdem der Stecknitz-Kanal den wirtschaftlichen Anforderungen im Zeitalter der Industrialisierung nicht mehr genügt hat, verhilft der neue Kanal dem Lübecker Hafen und auch Industrie und Gewerbe zum Aufschwung. Den Grund für die Umbenennung von Elbe-Trave-Kanal in Elbe-Lübeck-Kanal im Jahr 1936 erklärt Experte Hinsch so: "Lübeck wollte in den Vordergrund kommen, wollte sich hervorheben." Den Namen zu ändern sei "eigentlich für Flussbereiche ein unübliche Prozedur", weil sonst nur die Gewässer miteinander kombiniert werden.

Viele Jahre lohnt sich der Betrieb auf dem Kanal - wie hier in den 80ern in Lauenburg.
Die größte Auslastung in seinen ersten Jahrzehnten erlebt der Kanal 1939, als darauf 2,5 Millionen Tonnen Güter transportiert werden. Eine große Bedeutung - gerade auch für die Stadt Hamburg - bekommt der Kanal auch nochmal nach 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zum Wiederaufbau Hamburgs werden riesige Mengen Kies gebraucht, die per Schiff in die Hansestadt gebracht werden müssen.
Problem der Wassertiefe: Der Kanal kommt an seine Grenzen
Aber der Boom hält nicht an. 1999 werden nur noch 1,1 Millionen Tonnen Güter transportiert. In diesem Jahr befahren 1.600 Frachtschiffe den Kanal - die meisten von ihnen sind nur zu zwei Dritteln beladen. Das Problem ist ganz offensichtlich die Wassertiefe. Die sogenannten Europaschiffe können nicht voll beladen werden. Das macht das Befahren unwirtschaftlich.
Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals auf Eis gelegt
Die Schiffe werden größer - die damals noch sieben Schleusen (sechs sind heute noch im Einsatz) damit zu klein. Die Lauenburger Schleuse wird 2005 für knapp 40 Millionen Euro auf 115 Meter verlängert. Hafengesellschaft und Industrie- und Handelskammer fordern einen weiteren Ausbau des Kanals, eine Verlängerung der Schleusen und eine Anhebung der Brücken. 2016 werden schließlich 840 Millionen Euro für den Ausbau reserviert - doch wegen der geringen wirtschaftlichen Auslastung des Kanals stoppt der Bund das Vorhaben im Februar 2020.

In die Lauenburger Schleuse wird 2005 noch investiert.
Oase für Touristen und Einheimische
Auch wenn der Elbe-Lübeck-Kanal nicht mehr die ganz große wirtschaftliche Bedeutung für Lübeck hat, so ist er doch wichtig für die Region. Touristen und Einheimische freuen sich über die malerische Wasserstraße, über den wunderbaren Ausblick auf Wiesen, Wälder und Dörfer. Sportboote nutzen den Kanal für Ausflüge und Radfahrer drängeln sich an den flachen Uferwegen. Von einer modernen Wasserstraße zu einem schnuckeligen Ausflugsziel - das hatte sich Kaiser Wilhelm II. damals vermutlich anders vorgestellt.

Heute schippern überwiegend Freizeitkapitäne über den Elbe-Lübeck-Kanal.
Dieses Thema im Programm:
NDR 90,3 | Das Hamburger Hafenkonzert | 15.06.2025 | 06:00 Uhr