Ein Umspannwerk.

Schleswig-Holstein Viele neue Umspannwerke in Schleswig-Holstein geplant

Stand: 16.06.2025 05:00 Uhr

Umspannwerke verändern das Bild ländlicher Gemeinden. Sie sind Teil der Energiewende und der Großprojekte zum Netzausbau. Ländliche Gebiete stehen vor neuen Herausforderungen und Chancen.

Von Kim Kristin Mauch

Sie sind nicht besonders hübsch, aber notwendig: Umspannwerke sind die Knotenpunkte unserer Stromversorgung - vergleichbar mit Autobahnkreuzen im Straßennetz. Besonders große Werke entstehen häufig dort, wo sich Höchstspannungsleitungen verzweigen. Der Strom wird von 380.000 Volt auf 110.000 Volt transformiert. Danach verzweigt sich das Netz immer feiner bis bei uns zu Hause 230 Volt aus der Steckdose kommen.

Doch auch andersherum muss der Strom von jedem einzelnen Windrad oder Solarpaneel eingesammelt werden. Wird dieser gebündelt und auf die nächsthöhere Netzebene transformiert, sind wieder die Umspannwerke im Spiel. Sie sind damit von zentraler Bedeutung für unsere Stromversorgung.

Ausbau dank Energiewende

Dass der Bedarf an Umspannwerken so stark gestiegen ist, liegt an der Energiewende. Früher wurde der Strom vor allem dort produziert, wo er auch verbraucht wurde. Wo viel Industrie angesiedelt ist, ist meistens auch ein Kohle- oder Gaskraftwerk nicht weit. Doch erneuerbare Energie wird dort produziert, wo es viel davon gibt: zum Beispiel in den windreichen Küstenregionen von Schleswig-Holstein.

Hier muss nun der Netzausbau stattfinden, um den Strom weiter in den Süden Deutschlands zu transportieren. Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet unterhält derzeit 22 Umspannwerke in Schleswig-Holstein. Ihre Anzahl wird sich laut Unternehmen in den nächsten Jahren verdoppeln. Und auch der regionale Netzbetreiber SH Netz wird nach eigenen Angaben bis 2028 30 neue Umspannwerke bauen. Viele davon kleine Stationen - etwa einen halben Hektar groß.

Hochspannungsleitungen laufen zu einem Umspannwerk

Das Umspannwerk in Handewitt umfasst bei der Eröffnung 2020 etwa 20 Hektar. Nach nur zwei Jahren musste es bereits erweitert werden.

Deutschlands größter Netzknoten

Ein besonders großes Exemplar entsteht in der Gemeinde Sahms im Kreis Herzogtum Lauenburg. Mit 40 Hektar - das entspricht 56 Fußballfeldern - wird es wohl der flächenmäßig größte Netzverknüpfungspunkt Deutschlands. Auf der gemeinsamen Fläche entstehen gleich drei Anlagen: Tennet baut ein Umspannwerk als Anknüpfung an SüdWestLink, SH Netz ein weiteres zur regionalen Stromverteilung und der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz steuert ein Umschaltwerk bei.

Laut Bürgermeister Helmut Brüggmann (Freie Wählergemeinschaft Sahms) wird Tennet Ende des Monats den Bauantrag einreichen, der bis Ende des Jahres genehmigt werden könnte, so dass 2026 der Bau beginnt. So schreibt es auch Tennet auf der einer Website mit Informationen über den Ausbau.

Eine Wahl hat Sahms dabei nicht. Der Übertragungsnetzbetreiber erklärt auf seiner Website "TenneT hat den gesetzlichen Auftrag erhalten, den Neubau der Elbe-Lübeck-Leitung zu realisieren." Und das Umspannwerk bei Sahms ist ein Teil davon. Bürgermeister Brüggmann sagte NDR Schleswig-Holstein, er sei zu allen Informationsterminen eingeladen worden. Mitsprache hatte er dabei jedoch eher wenig.

Von der Netzplanung zum Baugrund

Wie Sahms geht es vielen weiteren Gemeinden in Schleswig-Holstein. Ist die Wahl auf einen Standort erst einmal gefallen, ist es kaum möglich, den Bau zu verhindern. Tennet teilt NDR Schleswig-Holstein auf Anfrage mit, welche Faktoren dafür entscheidend sind. Die Firma schreibt, es sei stets ihr Ziel, technische Anforderungen, Umweltbelange und lokale Interessen bestmöglich in Einklang zu bringen. Umspannwerke entstünden dort, wo eine Anbindung von Windparks erforderlich ist oder die Versorgung von Verbraucherzentren gesichert werden muss.

Es werden rechnerisch geeignete Ein- und Ausspeisungspunkte identifiziert. Sie stellen die Basis für den Suchraum für einen geeignet Standort dar. Dort werden unbebaute Flächen gesucht. Ausgeschlossen werden Moor- und Überschwemmungsgebiete sowie andere geschützte Flächen. Auch der Abstand zur Wohnbebauung und die Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur seien ein Kriterium.

Von zehn auf 20 Hektar - Pläne ändern sich drastisch

Ähnlich geht es Thomas Bauer (Bürgergemeinschaft Göhl), dem Bürgermeister von Göhl im Kreis Ostholstein. Inzwischen weiß er auf den Meter genau, wo das Umspannwerk entstehen soll. Dieses war bereits seit 2016 geplant auf einer Fläche von circa zehn Hektar, doch als nach fünf Jahren plötzlich das Update kam, dass es doppelt so groß werden soll, war das ein kleiner Schreck.

Bauer ist sich der Bedeutung des Werks bewusst. "Alles, was nördlich von Oldenburg an Windstrom produziert wird, fließt hier durch", sagt der Bürgermeister. Damit das Dorf durch die massiven Bauvorhaben nicht zu sehr beeinträchtigt ist, regte er an, die Zufahrt für Lkw über eine neue Zufahrt über einen Acker zu führen statt mitten durch das Dorf.

Ängste vor Elektrosmog: "Das Handy ist schlimmer"

Beiden Bürgermeistern ist wichtig, ihre Gemeinden gut über die Vorhaben zu informieren, denn nicht allen fällt es leicht, sich mit dem Umspannwerk zu arrangieren. In Sahms hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Sie befürchtet vor allem, dass Geräusche und elektromagnetische Abstrahlungen die Anwohner belasten könnten.

Das Eingangtos eines Umspannwerks in Schuby

Dieses Umspannwerk ist 2020 in Schuby eröffnet worden auf einer Fläche von 13 Hektar.

Bürgermeister Brüggmann hat deshalb ein schon bestehendes Umspannwerk besichtigt und Rat bei Experten eingeholt. Er kann die Anwohner beruhigen: "Die Transformatoren werden eingehaust. Die Trafogeräusche sind dann bereits am Zaun kaum noch zu hören. Und mir wurde von Experten versichert, dass jeder, der ein Handy in der Hosentasche trägt sich mehr Elektrosmog aussetzt als durch ein Umspannwerk."

Auch Tennet weist in einem Informationsblatt zu Umspannwerken darauf hin, dass die Richtwerte des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eingehalten werden. Für elektrische und magnetische Felder gelten strenge Grenzwerte. Diese liegen laut Tennet bereits um den Faktor fünf bis fünfzig unter den Werten, bei denen überhaupt mögliche Gesundheitsrisiken auftreten könnten. Die Werte werden außerhalb des Anlagenzauns deutlich unterschritten.

Batteriespeicher statt Beschaulichkeit

Immerhin könnte die Gemeinde von Einnahmen durch die Gewerbesteuer profitieren. Laut des Bürgermeisters würde etwa ein Drittel davon direkt an Sahms gehen. Für die kleine Gemeinde sei das schon eine Summe, die ins Gewicht falle. Außerdem besteht die Chance, dass sich im Umfeld des Umspannwerks Batteriespeicher, Rechenzentren oder Elektrolyseure für die Produktion von Wasserstoff ansiedeln.

Ein Appell an den Bürgermeister lautete: "Werden Sie zum Energiedrehpunkt des Kreises!" Doch Helmut Brüggmann zögert: "Ich weiß gar nicht, ob ich das möchte." Ihm und den meisten Anwohnern gefällt Sahms so wie es ist, beschaulich und landwirtschaftlich geprägt. Er betont, dass Leute immer gerne nach Sahms gezogen seien. Es sei ein bevorzugtes Wohngebiet und auch ihn treibt die Sorge um, dass sich das ändern könnte.

Bürgermeister vermitteln zwischen Unternehmen und Bewohner - trotz eigener Zweifel

In Mehlbek im Kreis Steinburg ist der Kauf der benötigten Flächen erst einige Wochen her. Seitdem steht fest, dass auch hier ab 2033 ein Umspannwerk entstehen wird. Und wie in den anderen Gemeinden sorgen sich manche Anwohner sehr über Strahlung, Lärm und sinkende Häuserpreise.

Ein Banner gegen TenneT NordHub in Agethorst

Gegen ein geplantes Umspannwerk in den Gemeinden Agethorst und Mehlbek (Kreis Steinburg) formiert sich Widerstand.

Bürgermeister Helge Treuherz (Kommunale Wählervereinigung Mehlbek) sieht es vor allem in seiner Verantwortung, trotzdem für den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu kämpfen. Er muss diese Sorgen aufgreifen und vermitteln. Das heißt auch, immer wieder die Informationen von Tennet weiterzugeben, auch wenn er selbst gegen den Bau des Umspannwerks ist.

Ziel: Begrünter Sichtschutz für alle Umspannwerke

Was das Dorf konkret erwartet, lässt sich nur erahnen, da derzeit nur schematische und abstrahierte Visualisierungen möglich sind, wie Tennet mitteilte. Das Ziel ist jedoch, für alle Umspannwerke einen begrünten Sichtschutz zu errichten. Nur bis der gewachsen ist, dürfte es einige Jahre dauern.

Schleswig-Holstein entwickelt sich zu einem zentralen Standort der deutschen Energiewende. Für die betroffenen Gemeinden bedeutet das einen Wandel vom ländlichen Idyll hin zu industrieller Infrastruktur - mit allen Chancen und Herausforderungen, die das mit sich bringt.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 16.06.2025 | 19:30 Uhr