
Schleswig-Holstein Kolumne: Warum uns Erwartungen so quälen
Alle wollen immer nur das Beste - von sich selbst, vom Leben, von anderen. Enttäuschung: vorprogrammiert. Ein guter Anlass also, darüber nachzudenken, wie wir das ändern können, findet unsere Kolumnistin.
Die Sache mit dem Menschsein ist ja schon komplex genug. Einerseits dieses konstante Streben nach weiter, höher, mehr und das ewige Gefühl, nie wirklich "anzukommen". Andererseits dieser offenbar inhärente Selbstzerstörungsdrang - Stichwort: "History repeats itself". Und dann ist da noch die Sache mit der Erwartung. Die wunderschönsten Tage machen wir uns damit kaputt: Geburtstage, an denen alle gratulieren - nur diese eine gewisse Person nicht. Weihnachten, an denen man es einfach nur gemütlich und harmonisch haben wollte. Hochzeiten, die doch eigentlich "der schönste Tag des Lebens" werden sollten. Egal wohin man schaut: Überall da, wo wir aus der Gegenwart ein Zukunftsszenario projizieren, ist die Fallhöhe enorm. Oder wie es so treffend heißt: "Erwartungen sind im Voraus geplante Enttäuschungen."
Ohne Erwartung keine Enttäuschung
Man hört ja oft diesen abgeklärten Satz: "Ich gehe da jetzt ganz ergebnisoffen rein", und nickt zustimmend, weil man tief im Inneren spürt, dass genau das die richtige Haltung wäre - egal, um welche Situation es geht. Dabei sind es nicht nur die "positiven" Erwartungen, wie bei der perfekten Hochzeit, die uns zu schaffen machen. Auch negative Erwartungshaltungen wirken zerstörerisch: Wenn wir von vornherein glauben, dass etwas nicht klappt, tragen wir genau dazu bei, dass es auch scheitert. Manch einer erinnert sich hier vielleicht an Paul Watzlawicks berühmte "Anleitung zum Unglücklichsein".
Die Anleitung zum Unglücklichsein
Darin die berühmte Geschichte vom Mann, der sich einen Hammer vom Nachbarn leihen will, dann aber zu grübeln beginnt, ob dieser ihm wohlgesonnen ist. In Gedanken steigert er sich immer weiter in die Vorstellung hinein, der Nachbar wolle ihm bestimmt nichts leihen - vielleicht hasse er ihn sogar. Schließlich klingelt er beim Nachbarn, brüllt ihn wütend an und schreit: "Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel!" - ein besseres Beispiel von zerstörerischer Erwartungshaltung gibt es kaum. Man kann es auch unter dem Selbsterfüllende Prophezeiung Paradox abstempeln.
Was also tun?
Was kann man also tun, um den, wie die Psychologie es nennt, "Expectation-Reality Gap" (also die Lücke zwischen Wunschvorstellung und Realität) - und die damit einhergehende kognitive Dissonanz, zu umgehen? Einfacher gefragt: Wie können wir uns von der toxischen Geißel der Erwartungshaltung befreien? Die Antwort: Nur wer loslässt, hat beide Hände frei, oder auch: Wer nichts erwartet, kann nur überrascht werden - nie enttäuscht. Dabei allerdings wichtig: Du kannst nur loslassen, was du erkennst. Internet-Tipps lauten daher: Frage dich regelmäßig: Was erwarte ich gerade - und warum? Und vor allem: Ist das wirklich meine Erwartung oder übernehme ich sie von anderen (Eltern, soziales Umfeld, Social Media, Gesellschaft)?
Lieber Wunder als Enttäuschungen
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Erwartungen sind oft unsichtbare Drehbücher, die wir auswendig gelernt haben, ohne sie je hinterfragt zu haben - selbst die Negativen. Ich zum Beispiel stecke keine Erwartungen mehr ins Wetter. Norddeutscher Sommer? Ich bin ja schon froh, wenn ich mal ohne Winterjacke und Gummistiefel raus kann. Und weil ich doch so gerne Sprüche aus dem Internet platziere, hier meine Lieblingsweisheit (stellen Sie sich dazu den Buddha im Lotussitz und das Geräusch tropischen Regens vor): "Habe Hoffnungen, aber habe niemals Erwartungen. Dann erlebst du vielleicht Wunder, aber niemals Enttäuschungen."
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein - Mein Wochenende | 17.05.2025 | 08:32 Uhr