
Sachsen Chemnitzer Gefängnis-Gedenkstätte: Was bedeutet Freiheit für Jugendliche heute?
Freiheit ist ein viel verwendeter Begriff, der für jeden Einzelnen eine ganz persönliche Bedeutung hat. So verbinden Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, mit dem Wort Freiheit ganz anderen Dinge, als es die jüngere Generation tut. Für sie sind Presse- Meinungs- und Reisefreiheit oder das Recht auf freie Entfaltung selbstverständlich. Bei einer "Jugendfreiheitskonferenz" im ehemaligen Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz trafen die Generationen aufeinander.
Der Chemnitzer Künstler Hartmut Leimcke war 1970 nicht viel älter als die Jugendlichen, denen er an diesem Tag gegenübersteht. Damals wollte er ganz spontan in den Westen flüchten. "Zwei Typen standen vor meiner Tür und erzählten mir, dass sie abhauen wollen."

Hartmut Leimcke leitete am Montag den Kunstworkshop mit den Jugendlichen.
Der Fluchtversuch endete schon hinter der tschechoslowakischen Grenze und brachte Leimcke 14 Monate Gefängnis ein. Zehn Schülerinnen und Schüler lauschen der Geschichte des heute 73 Jahre alten Mannes, der in Chemnitz in Untersuchungshaft saß.
Jugendliche fühlen Geschichte und definieren Freiheit für sich
Der 17 Jahre alte Nils kennt die Gedenkstätte bereits, die er am Montag zur "Freiheitskonferenz" besucht. "Es gab für mich heute trotzdem neue Eindrücke in Verbindung mit den Zeitzeugen." Das erlaube ihm eine ganz neue Sicht auf die Geschichte.
Was Freiheit für sie bedeutet, definieren drei Schülerinnen sehr konkret. "Eine eigene Meinung haben und eine eigene Entscheidungen treffen können", sagt eine von ihnen. Eine andere Schülerin ergänzt: "Freiheit bedeutet für mich, so zu sein, wie man ist und auch von anderen so angenommen zu werden." Sich frei bewegen zu können und die eigene Meinung äußern zu können, gehöre ebenfalls dazu.
Nils fasst den Tag positiv für sich zusammen. "Man konnte spüren, dass es vor noch nicht zu langer Zeit ganz anders hier war." Jetzt lebe man in einer Demokratie, was vielen anderen Menschen in anderen Ländern nicht möglich sei.

Die Gedenkstätte "Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis" in Chemnitz erinnert an die verschiedenen Epochen, in denen Andersdenkende hier inhaftiert waren.
Geschichte wird mit Zeitzeugen an reellen Orten erlebbar
Michael Sellger, Geschichtslehrer an der Oberschule Chemnitz Reichenbrand, sieht in dem Projekt im Gefängnis für die Jugendlichen eine außergewöhnliche Begegnung mit der Geschichte. "Im Unterricht kann ich nur Bilder oder Filme zeigen und erzählen. Aber mir fehlt schon mal die Autorität des Dabeigewesenen." Er schöpfe sein Wissen schließlich auch nur aus Büchern.

Im Außenbereich erinnert ein Wachturm und ein Mauerrest an die Zeit des Gefängnisses auf dem Chemnitzer Kaßberg.
"Hier im Gefängnis ist das was ganz anderes." Auf dem Weg über die Treppen zum Zellentrakt seien die Blicke der Jugendlichen nach oben gegangen und die Gespräche seien verstummt. "Das können Sie im Unterricht niemals erzeugen."

Noch vor wenigen Jahrzehnten war das Gefängnis in Chemnitz von hohen Stacheldrahtzäunen und Mauern umgeben.
MDR (tfr/klw)