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Rheinland-Pfalz Experte: "Müssen Temperaturen auf unseren Marktplätzen reduzieren"

Stand: 18.06.2025 04:57 Uhr

Im Sommer heizen sich viele Innenstädte auf. SWR Aktuell hat mit Bernhard Lenz von der Hochschule Karlsruhe gesprochen, wie diese Orte trotz Klimaerwärmung lebenswert bleiben. Lenz arbeitet an der Fakultät für Architektur und Bauwesen. Er ist auf die Themen energieoptimiertes Bauen, nachhaltige Gebäudetechnologie und Klimawandelanpassung spezialisiert.

Von SWR

SWR Aktuell: Im Sommer über einen typischen deutschen Marktplatz zu gehen, ist nicht immer angenehm. Woran liegt das?

Bernhard Lenz: Im Laufe des Sommers schaukelt sich die Temperatur immer weiter hoch. Generell haben wir sowieso höhere Temperaturen im Stadtinneren. Das nennt sich "Wärmeinseleffekt“. Dieser ist wirklich ganz gravierend. In der Klimakrise müssen wir uns auf deutlich höhere Temperaturen in den Sommermonaten einstellen und auf eine länger zusammenhängende Anzahl an trockenen Tagen ohne Niederschläge.

Die empfundene Temperatur ist in der Regel noch viel höher als die, die man vor Ort misst. Bernhard Lenz, Hochschule Karlsruhe

In der Stadt haben wir sehr viele Gebäude, die Wärme speichern können. Wir haben eine hohe Versiegelungsrate, das heißt, da kann kaum Wasser verdunsten. Gleichzeitig ist wenig begrünt, es gibt also auch keine Verdunstung über Bäume oder Flächen und dadurch keinen kühlenden Effekt. Es gibt wenig Schatten. Die empfundene Temperatur ist in der Regel noch viel höher als die, die man vor Ort misst.

SWR Aktuell: Was muss denn auf den deutschen Marktplätzen passieren, damit es nicht so schlimm wird?

Lenz: Wir müssen schauen, wie wir die Temperaturen reduzieren können. Das geht zum Beispiel mit großen Bäumen. Die spenden Schatten und kühlen gleichzeitig die Lufttemperatur runter. Leider reicht es aber nicht, wenn ich als Kommune sage, ich habe noch Platz für ein paar wenige Bäume, da pflanze ich jetzt welche hin. Wir benötigen eine weitreichende Begrünung:

SWR Aktuell: … weil sich die Niederschläge verändern, ist die Bewässerung der Bäume ein großes Thema.

Lenz: Ja. Sie müssen sich vorstellen, wenn Sie einen Baum pflanzen, da müssten Sie den mindestens die ersten zwei Jahre regelmäßig jede Woche wässern. So ein gepflanzter Baum braucht pro Woche 100 bis 200 Liter Wasser. Wenn der Baum irgendwann angewachsen ist, dann können Sie diese Bewässerung zurückfahren.

Deswegen ist die große Frage für die Stadtbäume: Wie kann der Baum länger etwas vom Niederschlag haben, der gefallen ist. Bernhard Lenz, Hochschule Karlsruhe

Deswegen ist die große Frage für die Stadtbäume: Wie kann der Baum länger etwas vom Niederschlag haben, der gefallen ist. Da gibt es verschiedenste Möglichkeiten, die gerade ausprobiert werden. Man untersucht verschiedene Substrate. Oder es werden über Bohrungen natürliche Mittel in den Boden gebracht, die viel Wasser speichern können.

SWR Aktuell: Städtische Plätze werden für verschiedene Aktionen genutzt: zum Schlendern, für Wochenmärkte oder Feste. Gibt es da überhaupt mehr Platz für neue Bäume?

Lenz: Das ist in der Tat schwierig. Auch, weil im Boden Infrastruktur drin ist, Leitungen und Kanäle. Das Wurzelwerk der Bäume würde diese Infrastruktur zerstören.

Aber es gibt auch andere Lösungen: Man könnte zum einen in den Städten Sonnensegel spannen, die sich tagsüber ausfahren und nachts einfahren lassen, damit dann die Wärme vom Boden in den kühlen Nachthimmel abgegeben werden kann. Und man könnte noch mit künstlichen Verdunstungssystemen arbeiten. Die würden Wasser, das im Winter fällt, in unterirdischen Zisternen speichern und dann saisonal verzögert im Sommer verdunsten lassen. Das wäre eine gute Kombination, wenn man nicht mit Begrünung arbeiten kann.

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SWR Aktuell: Was bringen denn begrünte Fassaden oder Dächer? Wenn auf dem Boden kein Platz ist, könnte man doch auch die begrünen.

Lenz: Vor allem eine Fassadenbegrünung ist ein sehr effizientes Werkzeug mit einem hohen Kühleffekt. Dieser Kühleffekt kann bis zu fünf bis sechs Grad Celsius betragen. Und den spüren Sie auch noch auf einigen Metern Entfernung, weil die Oberflächentemperatur des Gebäudes deutlich niedriger ist und gleichzeitig auch die Lufttemperatur etwas abgesenkt wird.

Fassadenbegrünung ist ein sehr effizientes Werkzeug. Bernhard Lenz, Hochschule Karlsruhe

Es gibt auch in einigen Städten Förderprogramme, um die Besitzer von Gebäuden mit finanziellen Anreizen dazu zu bringen, ihre Fassaden zu begrünen. Zwingen kann man sie aber nicht. Bei Neubauten ist es einfacher. Da können Städte entsprechende Vorgaben machen. Was man sagen kann: eine Fassadenbegrünung hat den Vorteil, dass es auch im Gebäude selbst nicht so warm wird. Das heißt, Eigentümer können auf eine Klimaanlage verzichten.

SWR Aktuell: Mehr Bäume pflanzen ist oft leichter gesagt als getan, bei grünen Fassaden gibt es auch Hürden. Warum sagen Sie nicht, dann lasst uns doch einfach auf die Marktplätze verzichten?

Lenz: Für mich ist das keine Alternative. Diese Plätze sind doch Teil unserer gesellschaftlichen Struktur. Wir wollen uns doch treffen, dort sitzen, einen Kaffee trinken, uns dort aufhalten. Wir müssen dafür sorgen, dass diese qualitätsvollen Orte für uns und unsere Kinder erhalten bleiben und weiterhin gut nutzbar sind.