Zwei Hände halten eine Tattoovorlage auf der ein Frauengesicht mit Cowboy-Hut zu sehen ist auf ein Bein.

Niedersachsen 24 Stunden ohne Pause: Tattoo-Marathon für einen guten Zweck

Stand: 16.06.2025 21:45 Uhr

Im Meiner Tattoo-Studio "Iron Anchor" ließen sich am Wochenende Hunderte Menschen stechen - im Gegenzug für eine Spielzeug- oder Geldspende. Der Erlös geht an erkrankte Kinder.

Von Tino Nowitzki

Schwarze Sonnenbrille, Arme, Hände und Hals übersät mit in Schwarz gestochenen Tattoos: Pilze, Motte, Schlangen - auch ein riesiger Trinkhalm in einer Badewanne ist dabei. Alicia Mues ist eindeutig nicht zum ersten Mal zu Besuch in einem Tattoo-Studio. Was sie heute ins "Iron Anchor" in Meine (Landkreis Gifhorn) geschleppt hat, ist aber auch für sie neu: eine riesige Tasche, prall gefüllt mit Spielzeug, Malbüchern, Kreide und Wasserpistolen. Kein Versehen - denn das Team vom Tattoo-Studio hat explizit darum gebeten. Wer hier zwischen vergangenem Freitag und Samstag tätowiert werden wollte, musste auch etwas dafür geben: Entweder eine Geldspende oder eben Spielzeug - alles für das Braunschweiger Kinderhospiz "Löwenherz" und für die kleinen Patienten im dortigen städtischen Klinikum.

Vorbild: "Toy Run" aus den USA

"Ich finde die Idee, mit Tattoos Kindern zu helfen, einfach super und habe gar nicht lange gefackelt", sagt die 26-jährige Alicia Mues. Und ist damit nicht allein: Als Studiobetreiber Leon, mit bürgerlichem Namen Sascha Razzano, am Freitag um 15 Uhr die Türen zum 24-Stunden-Tattoo-Marathon öffnet, treten sich die Kunden fast gegenseitig auf die Füße. Sechs Tätowierer kommen kaum hinterher, sich die Motiv-Ideen anzuschauen, Skizzen zu fertigen, Termine für den Tag zu machen. "Genau so wollte ich das", sagt Leon. Die Inspiration für den Tattoo-Marathon hatte er, als er einmal von sogenannten Toy Runs in den USA hörte. Die Idee auch dort: Spielzeug oder Spenden gegen Tattoos.

Tattoo ohne Mindestbetrag

Der Unterschied: Meist wird eine Mindestspende vorgeschrieben - um zu vermeiden, dass Kunden nur Kleingeld da lassen und mit einem Tattoo verschwinden. Aber "Iron Anchor"-Betreiber Leon, der "Captain" dem Titel "Chef" vorzieht, hat bewusst auf einen Mindestbetrag verzichtet. "Ich wollte, dass die Leute das frei entscheiden", so Leon. "Und mal ehrlich - wer hat denn so einen miesen Charakter, nur ein paar Münzen zu spenden, wenn es um schwerkranke Kinder geht?!". Eine Vorgabe gibt es vor dem Marathon trotzdem: Die Tattoos dürfen die Größe einer Handfläche nicht überschreiten - damit möglichst viele Kunden eins bekommen.

Darf es eine Rose sein? Oder vielleicht ein Schädel?

Und die kommen am Tag und auch in der Nacht. Mit den buntesten Ideen: Nicolo Scano zum Beispiel kommt für das dritte Tattoo mit seiner Heimatinsel Sardinien nach Meine. Anderen schweben eher die Klassiker vor, eine Rose etwa oder ein Schmetterling auf dem Unterarm. Aber auch Verrückteres ist dabei: Für Moritz Schnittger, einem kräftig gebauten Mann mit Vollbart und Ohrtunneln, muss es unbedingt ein "Mythosaurier-Schädel" sein, wie er in den Star Wars-Filmen vorkommt. Dafür lässt er auch bereitwillig seine Sammlung von Lego-Technik-Figuren über den Tresen des Tattoo-Studios wandern.

Kraft durch Käsespieße

24 Stunden brummt es aus allen Ecken des "Iron Anchor" in Meine. Die Luft: Gesättigt vom Geruch von Desinfektionsmittel. Damit die sechs Tätowiererinnen und Tätowierer über Nacht nicht vom Hocker rutschen, gibt es Schichten und eingeplante Pausen. Belegte Brote, Käsespieße und ein ganzer Kühlschrank voller Energy-Drinks sollen Kraft und Konzentration geben. Wer sich doch mal hinlegen will - für den steht auf dem Parkplatz vor dem Studio ein Wohnwagen mit Bett.

Über 8.000 Euro und ein Zimmer voller Spielzeug

Nach 24 Stunden und etlichen Litern Farbe ist es geschafft: Der Tattoo-Marathon war ein Erfolg, wie Leon zum Beweis mit einem stolzen Bild auch auf Social Media teilt. Das Spenden-Ergebnis: Über 8.000 Euro, die die Mitarbeiter des Tattoo-Studios noch auf 8.200 Euro aufrunden. Dazu ein ganzes Zimmer voller Spielzeug. Dann darf sich auch die Crew des "Iron Anchor" endlich etwas Schlaf gönnen. "Captain" Leon lässt schon einmal durchblicken: Durchaus denkbar, dass das nicht der letzte Tattoo-Marathon war.