
Hamburg Tänzer nach Volpi-Abgang: "Das Hamburg Ballett wäre zerbrochen"
Demis Volpi hat seinen Posten am Hamburg Ballett geräumt. Seitdem geben sich alle Beteiligten bedeckt. Tänzer Alexandr Trusch, der mit Kolleg*innen auf die Missstände am Haus hingewiesen hatte, äußerte sich nun nach Volpis Vertragsauflösung.
"Ich bin sehr erleichtert, dass er nicht mehr der Intendant ist", sagt Trusch. "Wenn es so weitergegangen wäre, dann wäre das Hamburg Ballett zerbrochen." Alexandr Trusch war einer der ersten, die öffentlich Kritik an der neuen Leitung geäußert hatten. Zusammen mit vier anderen Ersten Solisten kündigte er sein Engagement beim Hamburg Ballett - ein Schritt, der in der Tanzwelt als äußerst ungewöhnlich gilt. Jetzt spricht er über die Zeit nach Volpis Abgang in der vergangenen Woche: "Meines Erachtens ist es der richtige Weg gewesen. Jetzt müssen wir uns auf das Aufbauen konzentrieren", so Trusch.
Tänzer Trusch: "Ich habe sowas noch nie mitgemacht"
Die Vorwürfe an den Intendanten wogen schwer: Volpi sei häufig abwesend gewesen, habe schlecht kommuniziert und sei den Tänzern mit mangelnder Wertschätzung begegnet. In einem Brandbrief wandte sich etwa die Hälfte der Compagnie an Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda. "Ich habe sowas noch nie in meinem Leben mitgemacht", berichtet der Tänzer Trusch. Insofern habe er auch nichts erwartet. "Ich habe natürlich gehofft, dass eine Entscheidung getroffen wird. Deshalb haben wir uns so eingesetzt. Aber Erwartungen hatten wir nicht."
Gefährdungsbeurteilung am Ballett - Ergebnisse unter Verschluss
Am Ende wurde eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt, in der das Ensemble über die Situation am Hamburg Ballett anonym befragt wurde. Doch die Ergebnisse bleiben bis heute unter Verschluss. Stattdessen verhandelte die Kulturbehörde einen Aufhebungsvertrag mit dem Intendanten Demis Volpi. Hat sie richtig reagiert? Alexandr Trusch meint, das sei eine schwerwiegende Entscheidung "und so eine Entscheidung trifft man nicht von einem Moment auf den anderen. Die haben sich auch Zeit genommen, mit den Tänzerinnen und Tänzern zu sprechen, und sie mussten auch Argumente sammeln."
"Das war keine Intrige gegen Volpi"
Allerdings: Nicht alle Tänzer standen hinter der Kritik - das räumt Trusch ein. Auch persönliche Zukunftspläne hätten da eine Rolle gespielt. Von einer Intrige, wie in einigen Medien kolportiert wurde, will er nichts wissen. "Das ist keinesfalls eine 'Intrige' gewesen und ist es immer noch nicht", betont der Tänzer. "Die Probleme sind real und waren real. Der Betriebsrat hat auch ganz viele Sachen gesammelt. Und das wurde alles der Kulturbehörde zum Schluss übergeben."
"Das ist ein Zeichen für die ganze Ballettwelt gewesen"
Doch der Konflikt hatte auch eine andere Dimension: Er zeigte die Macht des Ensembles auf, die sich trotz der Angst um ihre Jobs trauten, für sich einzustehen. Für Trusch ein wichtiges Signal - nicht nur für die Zukunft des Hamburg Balletts: "Das ist ein Zeichen für die ganze Ballettwelt gewesen, dass Tänzer auch eine Macht haben und eine Stärke", so Alexandr Trusch. Er freue sich, dass sie jetzt die Türen geöffnet hätten für einen Diskurs und für die Zukunft. "Und es wird gut sein", ist sich der Tänzer sicher.
Truschs Zukunft ungewiss
Die Neuerfindung des Hamburg Ballett hat begonnen. Mal wieder. Klar ist: Die Suche nach einem neuen Intendanten für das international renommierte Haus wird länger dauern. Bis dahin übernimmt jetzt eine Interimsleitung.
Für Alexandr Trusch selbst ist die persönliche Zukunft noch ungewiss. Eines aber steht für ihn fest: "Hamburg bleibt für immer meine Heimat und ich finde diese Stadt toll. Ich habe der Staatsoper, dem Publikum und der Stadt viel zu verdanken. Ich schließe keine Türen in diesem Sinne, aber erstmal brauche ich ein bisschen Abstand."
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | Der Morgen | 16.06.2025 | 07:20 Uhr