
Brandenburg Theater-Kritik zu "Der tollste Tag" auf der Sommerbühne Potsdam: Mit dem Grafen baden gehen
Das Hans-Otto-Theater in Potsdam eröffnet mit Peter Turrinis kritischem Volksstück "Der tollste Tag" die Seebühne. Bei Regisseurin Adriana Altaras wird es zu versöhnlichem, leichtem, musikalischem Sommertheater. Von Barbara Behrendt
Platsch macht es – und hinterm Bühnenrand spritzt Wasser hervor, als sei der Graf tatsächlich im Tiefen See gelandet. Es ist schon sehr charmant, wie die Regisseurin Adriana Altaras und der Bühnenbildner Matthias Müller mit der Sommerbühne vor der fantastischen Seekulisse am Potsdamer Hans-Otto-Theater spielen: Der Diener Cherubin, der sich im Stück eigentlich ins Blumenbeet vor dem Fenster stürzt, zertrampelt hier nicht die Tulpen, sondern die Seerosen. Und die Gräfin verschwindet im güldenen Badeanzug zum Morgenschwimmen.

Spanische Bühne vor rosa Sommerhimmel
Wo die Schauspieler:innen wirklich landen, bevor sie mit nassen Haaren auf die Bühne zurückkehren, bleibt auf der Tribüne ein Geheimnis. Auf der übrigens auch der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ein Potsdamer Bürger, mit seiner Frau Platz genommen hat. Was vom Ensemble, das hier und da den Kontakt ins Publikum sucht, natürlich kommentiert wird.
Überhaupt passt die spanisch angehauchte Bühne, mit ihren Zitronen- und Orangenbäumchen, den Terracotta-Fliesen und einem gigantischen Neptunbrunnen perfekt zum rosa Sommerabendhimmel und zu den großen und kleinen Schiffen, die während der Vorstellung vorbeiziehen. Pünktlich zum Badehosenwetter eröffnet das Theater die Open-Air-Saison – und auch der Titel scheint zu passen: "Der tollste Tag".

Grafen, Diener und Liebes-Chaos
Allerdings ist Peter Turrinis Stück ein durchaus kritisches Volksstück mit brutalem Ausgang. In den 1970er Jahren hat er damit Beaumarchais' berühmte Komödie "Der tolle Tag oder Die Hochzeit des Figaro" aus dem 18. Jahrhundert überschrieben, die ja bekanntlich Mozart zu seiner gleichnamigen Oper veranlasst hatte. Schon bei Beaumarchais verhöhnt die Komödie den Adel und die Stände und kritisiert die Zensur.
Figaro, der Diener des Grafen, will Susanne, die Dienerin der Gräfin, heiraten. Der Graf weist dem Paar ein Zimmer zwischen den Gemächern von Graf und Gräfin zu und befördert Figaro zum Depeschen-Zusteller. Sodass er nachts, wenn Figaro auf Reisen ist, leicht zu Susanne schleichen kann, auf die er selbst ein Auge geworfen hat. Die Gräfin wiederum ist in den Diener Cherubin verliebt. Figaro wird von einer älteren Adligen nachgestellt.
Zwischen Komödie und kritischem Volksstück
In Beaumarchais' Intrigen-, Kostüm- und Verwechslungskomödie überlistet der wortgewandte Figaro den Grafen letztlich mit seinem Witz. Turrini hingegen glaubt nicht daran, dass die Mächtigen am Ende von den Armen und Rechtlosen übertrumpft werden können. In seinem "tollsten Tag" geht es böser, auch sprachlich sarkastischer zu. Die Mächtigen sitzen bei ihm bis in den Tod am längeren Hebel.
Adriana Altaras findet nun einen Mittelweg zwischen den Lesarten. Das ist nachvollziehbar – wäre ein bitteres Ende eines Sommertheaters doch ein Verstoß gegen heilige Theaterregeln. Der Graf (Arne Lenk spielt ihn schmierig und eitel) erliegt hier nicht wie bei Beaumarchais Figaros Witz. Figaro (von Hannes Schumacher fidel und hitzköpfig gespielt) wird vom korrupten Gericht verurteilt und muss die alte Adlige heiraten.

Wichtigstes Stilmittel: Mozarts Musik
Der Graf wird allerdings nicht so brutal ermordet wie bei Turrini, sondern: aus dem Fenster in den See geworfen. Die Schlossgemeinschaft (inklusive Gräfin) ist froh, dass er weg ist - und hält gleich eine ganze Reihe von Hochzeiten ab. Und, surrealer Wunschtraum: Der Graf ersteht als Dienstmädchen aus dem See auf und lebt endlich selbst einmal am Ende der Nahrungskette. Das ist einerseits natürlich reichlich harmlos, andererseits eine witzige Idee, wenn man zumindest noch ein Fünkchen politische Aussage bewahren möchte.
Wichtigstes ästhetisches Mittel ist an diesem Abend neben der Seekulisse die Musik, live eingespielt von der Pianistin Rita Herzog am Bühnenrand. Und natürlich spielt sie vorrangig Mozart.
Nicht übermäßig tiefsinnig
Adriana Altaras, die selbst viele Opern inszeniert hat, versucht zum Glück erst gar nicht, das Ensemble zu Opern-Sänger:innen zu machen. Stattdessen lässt sie, auch das eine lustige und charmante Idee, die italienischen Arien nur ansingen oder sing-sprechen – oder vom Gegenüber gänzlich missverstehen und kommentieren. Etwa, wenn sich Franziska Melzer und Amina Merai als Gräfin und Cherubim ein verliebtes Duett geben. Doch mit René Schwittay, unter anderem als versoffener Gärtner, fließt auch ein wenig Rio Reiser in den Abend.
In seinem Wechsel von Musik und Dialog, seinen kleinen Anspielungen ins Heute hat die Inszenierung ein gutes Timing und wird zur heiteren, pointierten Typenkomödie. Das ist nicht übermäßig tiefsinnig – möchte es aber auch nicht sein. Sondern heitere, musikalische Sommerunterhaltung mit einem gut aufgelegten Ensemble.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.06.2025, 07:54 Uhr