
Brandenburg Schwedter Biodiesel-Produzent kämpft mit Umsatzrückgang und Billigimporten
Die deutsche Branche für Biokraftstoffe steckt in der Krise. Grund dafür sind Billigimporte aus Asien mit anscheinend falschen Zertifikaten. Der Preisdruck zwingt auch einen Produzenten in Schwedt zu Kürzungen.
Mit prüfendem Blick begutachtet Harald Senst ein Glas mit einer gelblichen Flüssigkeit. Dabei handelt es sich um eine frisch gezapfte Probe Bio-Diesel. "Keine Verschmutzung, klar: sollte passen", resümiert der Geschäftsführer beim Biokraftstoff-Produzenten Verbio.
Insgesamt 330.000 Tonnen Biodiesel produziert das Unternehmen in Schwedt (Uckermark) im Jahr aus pflanzlichen Rohstoffen. Biodiesel wird den herkömmlichen Diesel beigemischt, um die CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu senken.
"Man kann von einer Krise reden"
Seit 20 Jahren ist Verbio in Schwedt aktiv und produziert neben Biodiesel auch Bioethanol und Biomethan - Produkte eines Marktes, der eigentlich boomen müsste. Doch im vergangenen Jahr verzeichnete das Unternehmen eigenen Angaben zufolge einen Umsatzrückgang von 13 Prozent.
"Man kann von einer Krise reden", sagt Harald Senst. "Aber nicht nur bei Verbio, sondern für die gesamte Branche der Erneuerbaren Energien." Ein wesentlicher Grund dafür sind laut Senst Billigimporte aus Asien, vor allem aus China und Indonesien. Diese drängen zunehmend auf den europäischen Markt - häufig zu Preisen, mit denen heimische Produzenten nicht mithalten könnten.
Illegale Geschäfte mit Palmöl und Klima-Zertifikaten?
In Brandenburg sind laut dem Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), der laut eigenen Angaben 60 Prozent der deutschen Produzenten repräsentiert, vier Standorte für Biokraftstoffe betroffen. Schwedt ist davon der größte.
"Palmöl wird zu einem Abfallstoff umdeklariert", sagt Stefan Schreiber, Vorstand bei Verbio. "Dieser Abfallstoff ist in Deutschland doppelt auf die Einsparziele anrechenbar. Damit gewinnt dieses Palmöl doppelt so viel an Wert und wir sind damit mit unseren Produkten gegen dieses Vorgehen nicht mehr wettbewerbsfähig."

Hintergrund ist unter anderem der Handel mit Zertifikaten zur Minderung von Treibhausgasen. Durch die Zertifikate sollen Anreize für Unternehmen geschaffen werden, wenn diese nachweisen, ihre Emissionen zu reduzieren. So können etwa Mineralöl-Konzerne entsprechende Zertifikate von nachhaltigen Projekten kaufen, um ihre Klima-Bilanz aufzubessern.
Allerdings haben Recherchen von ZDF und der Deutschen Welle im vergangenen Jahr gezeigt, dass zahlreiche Klimaschutz-Projekte in China, die eigentlich Treibhausgase reduzieren sollten, mit gefälschten Zertifikaten versehen wurden. So gibt es laut der Recherche den Verdacht, dass konventionelles Palmöl aus Indonesien fälschlicherweise als nachhaltig zertifiziert oder sogar als fortschrittliches Biokraftstoff-Vorprodukt aus Altfetten deklariert wurde, um von höheren Vergütungen zu profitieren. Die Exporte von angeblich nachhaltigem Biokraftstoff aus China nach Europa stiegen demnach im ersten Quartal 2023 um mehr als 83 Prozent an.
Verbio streicht Stellen und legt Anlage still
Um die daraus resultierenden Umsatzeinbußen abzufangen, hat Verbio reagiert und in Schwedt eine Anlage, in der Stroh zu Biomethan verarbeitet wurde, stillgelegt. Damit werden auch millionenschwere Investitionen auf Eis gelegt. "Wir haben weitere Kosteneinsparungen vorgenommen", so Vorstand Stefan Schreibe. "Wir haben Prozesse optimiert und leider mussten wir schlussendlich auch einige Stellen streichen." 24 von 400 Arbeitsplätzen werden es zukünftig in Schwedt und am Partnerstandort Pinnow weniger sein.

VDB fordert Politik zum Handeln auf
Dabei gelten Biokraftstoffe als wichtige Bausteine für eine klimafreundliche Mobilität - besonders in Bereichen, in denen Elektromobilität an ihre Grenzen stößt, wie zum Beispiel beim LKW-Verkehr.
Elmar Baumann vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie spricht von einer Schieflage. Diese dürfe nicht länger von der Politik ignoriert werden. "Wenn die Bundesregierung weiter keine Gegenmaßnahmen in Bezug auf Nachhaltigkeitszertifikate und staatliche Kontrollen und die Einhaltung fairer Handelspraktiken ergreift, dann sorgt sie aktiv deindustrialisierend hierzulande", so Baumann. "Das ist schwerwiegend in den ländlichen Räumen in Ostdeutschland."
Während Verbio mit Umsatzrückgängen kämpft, glauben viele im Unternehmen trotzdem an die Zukunft. Eine von ihnen ist Anika Wallbaum. Sie arbeitet in Schwedt als Laborantin und betont: "Wir glauben alle fest weiter daran, dass dieser ganze Biodiesel-Sektor einfach gut ist. Ich bin vor zwei Jahren von der Petrolchemie zu Biodiesel gewechselt, weil ich einfach an diese grüne Philosophie glaube." Deshalb hofft Wallbaum wie ihre Kollegen, dass die Europäische Union stärker gegen gefälschte Billigimporte vorgeht.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 06.06.2025, 19:30 Uhr
Mit Material von Riccardo Wittig