Blick auf Bahngleise und den Büroturm

Berlin Amazon-Tower "Edge East Side": Was Berlins höchstes Bürogebäude für die Stadt bedeutet

Stand: 17.06.2025 12:10 Uhr

Mitten im Berliner Osten ist ein neuer Gigant in die Skyline gewachsen: Der "Edge East Side Berlin" ist mit 140 Metern das höchste Bürogebäude der Stadt und wird fast vollständig vom US-Konzern Amazon genutzt. Nun wurde der Tower offiziell eröffnet. Von Sören Hinze

Direkt gegenüber vom S-Bahnhof Warschauer Straße und in Sichtweite zum RAW-Gelände bezieht Amazon in diesen Tagen rund 20 Etagen für ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum. 700 Mitarbeitende sind in den Tower in Berlin-Friedrichshain bereits eingezogen, bald sollen es bis zu 2.500 sein. Auf den oberen Stockwerken arbeiten künftig Softwareentwickler, KI-Expertinnen, Designer und Projektmanager an Amazons weltweiten Diensten und Produkten – von Fire TV über Alexa bis zur Optimierung der Suchfunktionen auf Amazon.de.
 
Auf der untersten Etage wurde am Montag bereits das "Kiezlab" eröffnet: Über 1.400 Quadratmeter Fläche können lokale Initiativen für ehrenamtliche Arbeit kostenlos nutzen, sagt Jonathan Weiss, Standortleiter von Amazon in Berlin. "Büroflächen, Trainingsräume, Workshopräume stellen wir zur Verfügung. Internet oder Getränke, vom Kopierpapier bis zum Drucker - alles ist kostenlos." Ein sogenannter Makerspace biete eine offene Werkstatt an, um 3D-Druck, programmieren und Robotik zu lernen.

Berlin ist Startup-Hauptstadt

Platz gäbe es für mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bisher sind es rund 2.500 - weitere 500 will der Konzern also einstellen. "Wir suchen Menschen, die Interesse haben, Produkte zu entwickeln, die das Leben der Menschen verbessern", kündigt Weiss an.
 
Doch was bedeutet diese Ansiedlung für die Berliner Tech-Branche?
 
Wegen Amazon kann bei einzelnen Startups die Mitarbeiterbindung kurzfristig unter Druck geraten, denkt Christoph Stresing, Geschäftsführer vom Bundesverband Deutsche Startups: "Aber unterm Strich wird es positiv sein, weil das Startup-Ökosystem auch profitiert, wenn wir insgesamt ein starker Tech-Standort sind."
 
Auch beim deutschen Digitalverband Bitkom sieht man Potenzial: "Große, weltweit tätige Unternehmen bringen in der Regel Know-how, internationale Sichtbarkeit und hoch qualifizierte Jobs in die Stadt. Das kann ein Innovationsmotor für die Region sein", so Daniel Breitinger. Langfristig könnten davon auch kleinere Unternehmen und Startups, Hochschulen und der gesamte Arbeitsmarkt profitieren – sofern sie klug eingebunden würden.

Edge East Side Berlin, auch Amazon Tower genannt, Hochhaus an der Warschauer Brücke am 10.01.2024. (Quelle: IMAGO/David Weyand)
Berlins höchstes Haus "Edge East Side " ist übergeben worden
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München sitzt Berlin im Nacken

Denn trotz des internationalen Zuzugs steht Berlin unter Konkurrenzdruck. Zwar wurden hier 2023 die meisten Unternehmen pro 100.000 Einwohner gegründet. Doch auch in München sei in den letzten Jahren eine starke Dynamik zu beobachten, sagt Stresing vom Startup-Verband.
 
BMW, Siemens, Infineon und viele weitere haben ihre Firmenzentrale in München und sind mögliche Industriekunden von Startups und Tech-Unternehmen. Berlin könne zwar durch seine starke IT- und Kommunikationswirtschaft punkten. Aber um international ganz vorne mitzuspielen, so Bitkom, müsse Berlin die Potenziale noch stärker nutzen – etwa durch eine engere Verzahnung zwischen Forschung, Industrie und Kapital. So sieht es auch Stresing. Er meint, Berlin müsse eine Wachstumsperspektive vermitteln: "Um nicht den Anschluss zu verlieren."
 
Allerdings bleibe Berlin für Unternehmen noch ein äußerst attraktiver Standort. 200.000 Studierende und viele Hochschulen seien ein wichtiger Anreiz für junge Unternehmen sich in Berlin niederzulassen. Ein weiterer Pluspunkt sei die hohe Internationalität der Stadt. "Wir brauchen aber auch eine funktionierende Stadt", sagt Stresing, "eine Verwaltung, die digital arbeitet, eine belastbare Infrastruktur, genug Kitaplätze und Wohnraum." Früher waren niedrige Mieten ein Standortvorteil von Berlin. Das ändert sich seit einigen Jahren erheblich.

"Berlin vs Amazon": Konzern löst weitere Verdrängung im Kiez aus

Kritiker des Amazon-Towers, wie das Bündnis "Berlin vs Amazon", werfen dem Konzern und seiner neuen Zentrale steigende Mieten und Verdrängung im Kiez vor. Auf einem Firmenblog weist Amazon die Vorwürfe zurück: Für solche Herausforderungen sei nicht ein Unternehmen allein verantwortlich. Vielmehr sei der knappe Wohnraum eine Folge der wachsenden Attraktivität der Stadt. "Die Mieten sind auch ein Thema für unsere Mitarbeitenden. Ich glaube, da muss sich Deutschland, aber auch Berlin überlegen, wie man besser bezahlbaren Wohnraum schaffen kann. Daran haben wir auch Interesse", so Amazon-Standortleiter Jonathan Weiss.
 
In dieser Hinsicht steht das größte Bürogebäude Berlin auch für die größte Herausforderung der Stadt: Amazon kann nur gewinnen, wenn auch Startups, Studierende und Kreative eine Wohnung finden. Sonst stirbt das Ökosystem, das Berlin attraktiv macht. Die Rechnung ist einfach, die Lösung schwer.

Sendung: Abendschau, 16.06.2025, 19:30 Uhr