Eine seismologische Station und eine Infraschall-Station sind unter dem Waldboden.

Bayern Wie eine Messstation im Bayerischen Wald Atombomben nachspürt

Stand: 17.06.2025 13:55 Uhr

Wenn irgendwo auf der Welt eine Atombombe explodiert, wird das im Bayerischen Wald erfasst: in einer abgelegenen und im Wald versteckten Messstation. Normalerweise kommt niemand an den Ort. Heute aber reist internationaler Besuch an.

Von Katharina Häringer

Mitten im Wald – in Haidmühle – an der Grenze zu Tschechien ist unter der Erde Messtechnik verbaut, die eine Rolle für den Weltfrieden spielt. Über Bodenbewegungen und tieffrequenten Schall wird erfasst, wenn auf der Welt geheime Nukleartests durchgeführt werden und Atombomben explodieren. Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) überwachen mit dieser Technik, ob sich alle Atommächte der Welt auch wirklich an den internationalen Kernwaffenteststoppvertrag (CTBT) halten.

Besuch von Diplomaten

Die Station gibt es seit 35 Jahren, sie gilt als eine der genauesten in ganz Europa. Denn fast nirgendwo ist es so ruhig wie auf dem Sulzberg im Landkreis Freyung-Grafenau. Jetzt kommen rund 40 Vertreter von Botschaften aus 27 Ländern sowie Repräsentanten von Ständigen Vertretungen bei den Vereinten Nationen in Wien nach Haidmühle, um sich diese Messanlage anzuschauen.

Explosionen in der Ukraine

"Eine der letzten starken Messungen war 2020 die Explosion von Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut. Aber wir erfassen hier natürlich auch heftige Explosionen in der Ukraine", sagt Lars Ceranna von der BGR. Militärische Daten würden aber nicht ausgewertet oder weitergeben. Das sei nicht der Job der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Ihre Aufgabe sei es vielmehr zu überprüfen, ob sich alle an den Kernwaffenteststoppvertrag halten. "Das ist der mittlerweile noch einzige weltweit gültige Vertrag, der von allen Parteien, auch von Russland, China und den USA akzeptiert wird und wo entsprechend proaktiv daran gearbeitet wird", sagt Ceranna.

Atomtests aus Nordkorea registriert

Die Messanlage in Haidmühle umfasst zwei Stationen: eine seismologische und eine Infraschall-Station. Die seismologische Station zeichnete beispielsweise alle sechs von Nordkorea durchgeführten Atomtests zwischen 2006 und 2017 auf. Die Infraschallstation misst für das menschliche Ohr unhörbare Schallwellen im Niederfrequenzbereich. Sie registrierte zum Beispiel den Ausbruch des italienischen Vulkans Stromboli im Juli 2019.

Kernwaffenteststoppvertrag nie ganz in Kraft getreten

Seit 1966 gibt es einen internationalen Vertrag, der es Ländern verbietet, Kernwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser durchzuführen. Neun Länder besitzen Atomwaffen: USA, Russland, Frankreich, China, Großbritannien, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Von diesen Staaten fehlen bis heute drei Unterschriften. Indien, Pakistan und Nordkorea haben das Abkommen nie unterzeichnet.

Fünf von insgesamt 44 Länder auf der ganzen Welt haben den Vertrag zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert. In Ägypten, China, im Iran, in Israel, und in den USA ist dieser Vertrag also faktisch nie in Kraft getreten. Russland hat seine Ratifizierung Ende 2023 zurückgezogen.

Überwachung weltweit

Um zu überwachen, ob sich alle Vertragspartner an das Abkommen halten, gibt es das Netz mit seinen 321 Messstationen. Diese befinden sich immer dort, wo es so gut wie keine anderen Störquellen gibt. Die BGR betreibt neben den Stationen im Bayerischen Wald auch noch Messstationen in der Antarktis. Die Daten aller Stationen werden im Internationalen Datenzentrum bei den Vereinten Nationen in Wien gesammelt, analysiert und archiviert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

Quelle: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz 17.06.2025 - 12:00 Uhr