
Baden-Württemberg Warum so viele Restaurants in Baden-Württemberg ums Überleben kämpfen
Die Gastronomie in BW ist unter Druck: Alle wollen gutes, regionales Essen - reichlich, aber günstig. Doch die Preise steigen, die Qualität schwankt. Und manche tricksen beim Abrechnen.
Der "Adler" in Aichtal (Kreis Esslingen) ist, wie viele Restaurants auf dem Land, ein Gasthaus mit Geschichte. Die Wirtin in dritter Generation ist Katrin Eßlinger. Sie ist eigentlich Architektin, aber als ihre Mutter in den Ruhestand wollte, hat sie sich für die Gastronomie entschieden: "Ich habe dann gesagt, eigentlich macht es ja Spaß und es wäre schade, wenn die Tradition zu Ende geht", erzählt Eßlinger in der Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg".
Die Preise steigen, die Gäste bleiben weg
Jetzt ist sie Wirtin durch und durch und hat einen Anspruch: Frisch gekocht, regional eingekauft, ohne Zusatzstoffe. Doch trotz hoher Qualität wird es für Katrin Eßlinger und ihr Team immer schwieriger, den Betrieb am Laufen zu halten. Das Problem: Die Kosten steigen, aber die Gäste werden weniger. Katrin Eßlinger kämpft an mehreren Fronten: Das Personal wird knapp und teuer, die Lebensmittelpreise steigen.
Das Personal kriegt man nicht mehr für einen Appel und ein Ei. (...) Ich muss es auf die Preise dann umlegen. Und wenn die Preise teurer werden, kommen die Gäste weniger, also habe ich im Endeffekt weniger Umsatz. Katrin Eßlinger, Wirtin "Zum Adler" in Aichtal
Hoher Preis - und trotzdem Tütensoße und Dosenchampignons?
Gleichzeitig wächst der Frust bei vielen Gästen. Der Grund: Immer öfter gibt es schlechte Qualität zu hohen Preisen auf den Teller. Das sagt Pepe Palme aus Pforzheim - er ist Schlagersänger auf Mallorca, aber auch Gastro-Influencer und Hobbykoch. Sein Fazit: In vielen Restaurants mangelt es an Qualität. Champignons aus der Dose, fertige Soßen - und das Ganze für über 15 Euro. Das sei Betrug am Gast, so Palme. "Die Frische ist weg, die Qualität geht verloren."
Pepe Palme selbst kocht lieber zu Hause: Für acht Euro gibt’s bei ihm frisches Geschnetzeltes mit Spätzle und Salat – "in Restaurantqualität", sagt er. Für den gleichen Teller zahle er im Restaurant mehr, oft sogar das Doppelte.

Der Pforzheimer Food-Influencer und Mallorca-Schlagersänger Pepe Palme kocht gerne selbst und legt dabei Wert auf gute Qualität.
SWR Undercover-Recherche zeigt: Einige Restaurants tricksen bei der Rechnung
Was läuft schief in deutschen Küchen? Viele Restaurants greifen auf Fertigprodukte zurück - aus Zeitnot, wegen Personalmangels oder Kostendrucks. Andere tricksen aber auch bei der Abrechnung. Zwei Reporter von "Zur Sache! Baden-Württemberg" waren mit versteckter Kamera in mehreren Restaurants essen und stellten fest: Eine richtige Endabrechnung bekommt man in der Gastronomie oft nicht und wenn, dann nur auf Nachfrage.
Steuerexperte warnt: Bei Zwischenrechnung und Barzahlung aufpassen!
Steuerexperte Thomas Eigenthaler ordnet das in der Sendung so ein: Wenn keine Endabrechnung erfolge, sondern nur eine Zwischenrechnung, dann sei das ein potenzieller Steuerverstoß - insbesondere bei Barzahlung. Denn eine Zwischenrechnung sei nicht automatisch steuerlich gültig, es fehle der Transaktionsnachweis, so der Ehrenvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Wird nichts in die Kasse eingegeben, könnte das Geld womöglich in einer zweiten, nicht registrierten - schwarzen Kasse - landen.
In zwölf Testfällen in Baden-Württemberg bekam das SWR-Team nur nach ausdrücklicher Nachfrage eine vollständige Rechnung. In vier Lokalen wurden verdächtige Zwischenrechnungen ausgestellt. Manchmal arbeiteten Betriebe sogar mit zwei Kassensystemen - ein möglicher Hinweis auf doppelte Buchführung.
Auch die Adler-Chefin Katrin Eßlinger kennt solche Fälle. "Ich würde sagen, es gibt so fünf Kollegen aus meiner näheren Umgebung, bei denen ich denke, dass es nicht mit rechten Dingen zu geht." Das ärgert die Wirtin, wenn sie sieht, was sie an Steuern abführen muss. Und sie fügt hinzu, Wirte, die bei der Steuer betrügen würden, könnten andere Preise anbieten, als die, die ehrlich arbeiteten.
Gastronomen erhoffen sich mehr Unterstützung aus der Politik
In anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich wird Essen zelebriert - in Deutschland soll es oft vor allem schnell, billig und viel sein. Doch das bleibt nicht ohne Folgen: Immer mehr Wirtshäuser schließen, ganze Stammtische sterben aus. Auf der anderen Seite sinkt bei jedem Trick an der Kasse auch das Vertrauen in die Branche. Experten schätzen, dass durch falsche Rechnungen Milliarden Euro in der Staatskasse fehlen. Steuerexperte Eigenthaler fordert: "Ehrliche Gastronomie verdient Wertschätzung und Respekt, die Unehrlichen müssen verfolgt werden."
Damit sich allgemein die Situation verbessert, hoffen Gastronomen im Land auch auf eine stärkere Unterstützung durch die Politik. Die neue Bundesregierung plant aktuell unter anderem, ab 2026 die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 19 Prozent dauerhaft auf sieben Prozent zu senken. Ob das dann bei den Preisen und so bei den Gästen ankommt, wird sich zeigen.
Sendung am Do., 12.6.2025 20:15 Uhr, Zur Sache Baden-Württemberg, SWR BW