Ein Deutschbuch liegt in einem Integrationskurs

Baden-Württemberg Sprachkurse auf der Kippe: Wie sich Kürzungen des Bundes in BW auswirken

Stand: 15.06.2025 19:30 Uhr

"Deutsch-als-Fremdsprache"-Kurse helfen Ausländern, schneller in Deutschland zurechtzukommen. Doch bei der Finanzierung wurde im Bundeshaushalt kräftig gekürzt. Das ist zu spüren - auch in BW.

Von Michael Lehmann, Marc-Julien Heinsch

Deutsch lernen, um hierzulande schnell klarzukommen: Viele Menschen, die in den letzten Jahren neu nach Baden-Württemberg gekommen sind, haben das genau so geschafft. Mit "Deutsch-als-Fremdsprache"-Kursen bieten zum Beispiel die Volkshochschulen in Baden-Württemberg gutes Sprachtraining für Migrantinnen und Migranten an.   

Doch bei der Finanzierung dieser Programme wurde zuletzt im Bundeshaushalt kräftig gekürzt. Von einer Riesenlücke sprechen die Betroffenen - etwa 500 Millionen-Euro sollen fehlen.  

Wer Deutsch spricht, hat gute Jobchancen

Die Volkshochschule Unteres Remstal mit Sitz in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) bietet Deutschunterricht für ganz verschiedene Sprachlevels an. Ein gutes Dutzend Schülerinnen und Schüler aus ganz unterschiedlichen Ländern lernt vormittags zum Beispiel den richtigen Umgang mit Adjektiven.

"‚Mit der gelben Jackeheißt es korrekt." Liebevoll korrigiert die Lehrerin Schülerinnen und Schüler, die noch nicht sicher sind, welche Formen jeweils die richtigen sind. Stefanie Köhler leitet die Volkshochschule Unteres Remstal und ist stolz auf das reichhaltige Kursangebot für Zugewanderte. In dieser dicht besiedelten Gegend von Baden-Württemberg haben Migrantinnen und Migranten mit entsprechenden Deutschkenntnissen gute Jobaussichten.

"Wir haben mit unseren Kursen schon wahnsinnig viel erreicht", sagt Köhler. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) habe im vergangenen Jahr belegt, dass schon sehr viele nach Deutschland eingewanderte Menschen ihre Sprachkenntnisse stark ausgebaut haben. So stark, dass sie in der Arbeitswelt damit gut zurechtkommen.

Das Bedürfnis nach Integration sei groß, wenn nun wichtige Sprachkurse wegfielen, lasse man "gute Chancen liegen", so VHS-Leiterin Köhler. Das könne sich katastrophal auswirken - gerade auf dem Arbeitsmarkt.

VHS-Leiterin: Kürzungen bei Sprachkursen "extrem"

Noch sei die Katastrophe nicht eingetreten, aber "wir entwickeln uns dorthin", sagt Köhler. Sie empfindet die Kürzungen als extrem: Die Finanzierung dieser Kurse sei von 1,1 Milliarden Euro im Bundeshaushalt nun auf 500 Millionen gekürzt worden - also um mehr als 50 Prozent. Kursteilnehmende, die Wiederholungsstunden bräuchten, weil sie durch Traumatisierungen auf der Flucht weniger schnell lernen könnten als gedacht, erhielten diese Stunden nun nicht mehr. Manche Kurse seien im laufenden Quartal gar nicht mehr genehmigt worden.

Christoph Schroeder, Professor für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache am Institut für Germanistik der Universität Potsdam, forscht seit mehreren Jahren zu Integrationskursen. Seiner Einschätzung nach sind die Kürzungen hochproblematisch. Personen, die an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt teilhaben sollten, würden die Möglichkeiten dafür genommen, so Schroeder.

Mohammed Al Janabi kam aus dem Irak nach Baden-Württemberg. Er hat in gut einem Jahr so gut Deutsch gelernt, dass er als Fahrer bei einem Essenslieferdienst schnell Arbeit fand - und dabei die Sprache gleich anwenden konnte. Er berichtet, wie wichtig für ihn das intensive Deutschkurs-Programm in den letzten zweieinhalb Jahren war: "Ich habe im Gespräch mit vielen Kunden mein Deutsch gut trainieren können. Das hat mir geholfen."

Ohne seine mehrstufige Ausbildung bei verschiedenen Anbietern in Stuttgart hätte er nicht so schnell auf dem Arbeitsmarkt Erfolg gehabt, sagt der 31-jährige Iraker. Nun will er Stadtbahnfahrer werden, hat sich erst kürzlich bei den Verkehrsbetrieben der Landeshauptstadt beworben.

Sprachkenntnisse entscheidend für Integration

So schnell wie bei Mohammed geht es inzwischen wegen der Kürzungen bei Sprachkursen oft nicht mehr. Als dramatisch empfindet das auch der freie Sprachlehrer Günther Baur. Er unterrichtet im Großraum Stuttgart seit vielen Jahren Deutsch als Fremdsprache: "In meinem Unterricht sitzen Menschen aus 80 Nationen. Ganz verschiedene Berufe sind da vertreten - vom Automechaniker bis zum Chirurgie-Assistenten."

Nach den Erfahrungen des Sprachlehrers ist den meisten Teilnehmenden klar, dass sie jetzt in einem reichen Land leben. Und in dem entscheide am Ende die Sprache darüber, wie schnell und gut sie sich in Deutschland integrierten, so Baur.

Sprachkurse: Abwanderung von Lehrkräften droht

Dass aktuell Deutschland Schwierigkeiten hat, sein Rentensystem stabil zu halten, ist für den Sprachlehrer nicht verwunderlich. Seine Kritik: Wenn das Kürzungsprogramm bei den Sprachkursen so weiterlaufe, werden immer mehr Arbeitskräfte mit stabilen Einkommen fehlen - denn Deutschland sei nun mal ein Zuwanderungsland. Deshalb brauche es gute Deutschkurse mit erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen - und auch genügend Lehrkräften.

"Wenn die Honorar-Kräfte, die jetzt als Lehrer für die Deutsch-Kurse arbeiten, in andere Branchen abwandern, weil das Kursprogramm durch Kürzungsprogramme wie das jüngste bedroht ist, kommen sie später nur schwer wieder als Lehrkräfte zurück", sagt Baur. Als Folge werde die Personalsituation in der "Flaschenhalsbranche“ der Deutsch-Kurs-Anbieter noch enger. Und das dürfte nach Ansicht des Sprachlehrers unkalkulierbare Folgen für alle anderen Branchen haben. Denn viele dieser Branchen bräuchten weitere zugewanderte und gut Deutsch sprechende Arbeitskräfte.

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Integrationskurse auf der Kippe: Hoffnung auf Umdenken

Auf ein Umdenken in der neuen Bundesregierung hofft deshalb auch Volkshochschulleiterin Stefanie Köhler in Waiblingen: "Wir hatten bis Ende Mai die Situation, dass die Integrationskurse nur bis 30. Juni finanziert waren. Eine große Unsicherheit, mit der wir kaum weiter planen konnten." Über den Bundeshaushalt 2025 soll laut Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) Ende Juni beraten werden. Dann wird sich zeigen, ob doch noch mehr Geld bereitgestellt wird. VHS-Leiterin Köhler wünscht sich wie viele ihrer Sprachlehrerinnen und -lehrer, dass sich die neue Bundesregierung vielleicht doch noch auf mehr Zuschüsse für die Sprachkurse einigen kann.

Sendung am So., 25.5.2025 6:00 Uhr, Sonn- / Feiertagmorgen, SWR1

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