
Baden-Württemberg Mehr Soldaten für die Bundeswehr - doch in BW sind die Kapazitäten begrenzt
Bei der Diskussion um mehr Personal für die Bundeswehr wird auch eine Neuauflage der Wehrpflicht debattiert. In BW sind die Kasernen aber schon jetzt ausgelastet.
2024 haben über 18.000 Menschen bei Bundeswehr-Einheiten in Baden-Württemberg gearbeitet. Zukünftig könnten es deutlich mehr werden. Denn die Bundeswehr brauche bis zu 60.000 Soldatinnen und Soldaten mehr, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kürzlich bei einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister.
Gleichzeitig räumte Pistorius ein, dass eine Debatte um eine Wehrpflicht aktuell "gar nichts" nütze, unter anderem fehlten Kapazitäten für die Unterbringung. Auch bei den Einheiten in Baden-Württemberg sieht es so aus, als könnte eine schnelle Vergrößerung der Truppe zu Problemen führen.
So stark sind die Kasernen in BW ausgelastet
Die Bundeswehr hat in Baden-Württemberg 161 Liegenschaften - darunter fallen nicht nur Kasernen, sondern auch Übungsplätze, einzelne Gebäude und das Bundeswehr-Krankenhaus in Ulm. Doch gerade die Auslastung in den Kasernen sei durchgehend hoch, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr auf Nachfrage des SWR.
Das hat konkrete Auswirkungen auf den Alltag von Soldatinnen und Soldaten. Im Jahresbericht 2024 der ehemaligen Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) beklagt sich beispielsweise das Personal der Rommel-Kaserne in Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) über zu wenig Stubenplätze. Gerade Soldatinnen und Soldaten, die älter als 25 Jahre sind, hätten Schwierigkeiten, eine Unterkunft in der Kaserne zu bekommen - ab diesem Alter haben sie nämlich kein automatisches Anrecht mehr auf einen Stubenplatz. "Die Mieten in der Umgebung seien sehr hoch, manche Soldatinnen und Soldaten wohnten aus Not im Hotel", heißt es in dem Bericht.
Wie die Bundeswehr die Kapazitäten erhöhen will
Dass diese Situation nicht mit einer eventuellen Vergrößerung der Truppe zusammenpasst, scheint den Verantwortlichen bewusst zu sein. Die Bundeswehr verfolge deswegen eine Doppelstrategie, um die Kapazitäten falls nötig kurzfristig zu erhöhen, so der Sprecher des Infrastruktur-Bundesamts der Bundeswehr. Zum einen sollten bereits bestehende Gebäude "intensiver" genutzt werden. Was das genau bedeutet, geht aus der Antwort des Infrastruktur-Bundesamts nicht hervor. Im Jahresbericht der Wehrbeauftragten ist allerdings die Rede davon, anstatt den Soldatinnen und Soldaten Einzelstuben zuzuteilen wieder vermehrt Doppelstockbetten einzuführen.
Zum anderen solle im Fall einer zügigen Vergrößerung der Truppe schnell verfügbare, "modulare Infrastruktur" dabei helfen, weitere Soldaten unterzubringen. Damit gemeint ist wohl der Bau zusätzlicher Unterkünfte in Baukasten-Weise. Die Unterkünfte bestehen hierbei aus einzelnen, vorgefertigten Segmenten. Damit hat die Bundeswehr auch schon Erfahrung - so wurde etwa die Knüll-Kaserne im hessischen Schwarzenhorn in nur 20 Monaten auf diese Weise erweitert.
So hoch ist der Investitionsbedarf in BW
Der Jahresbericht der Wehrbeauftragten zeichnet indes ein düsteres Bild vom Zustand der Bundeswehr-Kasernen in ganz Deutschland. Dieser sei "teilweise desaströs" - der Investitionsbedarf belaufe sich auf 67 Milliarden Euro. Zwar werden hierbei nicht explizit Kasernen in Baden-Württemberg als Negativbeispiele genannt, trotzdem ist auch hierzulande viel Geld für Neu-, Um- und Erweiterungsbauten eingeplant.
Laut dem Infrastruktur-Bundesamt sollen von 2025 bis 2031 2,6 Milliarden Euro in derartige Bauprojekte fließen. Erweitert werden soll beispielsweise die Graf-Zeppelin-Kaserne in Althengstett (Kreis Calw). Die Kosten werden auf rund 200 Millionen Euro geschätzt.
Diese Auswirkungen hatte das Ende der Wehrpflicht auf die BW-Kasernen
Die Platzprobleme bei der Bundeswehr sind auch dadurch gewachsen, dass nach der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 große Standorte geschlossen wurden. So zum Beispiel die Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen (Kreis Sigmaringen) - dort arbeiteten zu Spitzenzeiten zwischen 2.000 und 3.000 Soldatinnen und Soldaten sowie zivil Beschäftigte.
Andere große Kasernen wie diejenigen in Hohentengen (Kreis Sigmaringen), Immendingen (Kreis Tuttlingen) und Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis) machte die Bundeswehr ebenfalls dicht. Zudem wurde die Zahl der Dienstposten an Standorten wie Ulm, Stuttgart und Karlsruhe reduziert.
Könnte die Bundeswehr alte Kasernen in BW reaktivieren?
Die ehemaligen Liegenschaften der Bundeswehr sind heutzutage nicht verlassene Orte, sondern werden auf unterschiedliche Art und Weise weitergenutzt. Das Übungsgelände der geschlossenen Kaserne in Immendingen wandelte der Autohersteller Mercedes-Benz 2014 beispielsweise in ein Prüf- und Technologiezentrum um.
Inwiefern solche Liegenschaften wieder militärisch genutzt werden könnten, müsse im Bedarfsfall sorgfältig geprüft werden. "Neben den aktuellen Nutzungen und damit bestehenden Vertragsverhältnissen sind auch der bauliche Zustand und weitere Faktoren im Einzelfall zu berücksichtigen", so der Sprecher des Bundesamts für Infrastruktur der Bundeswehr.