
Baden-Württemberg Gründer Hoerr über Geschichte von CureVac : "Wir hatten Pech"
Das Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech will den Tübinger Konkurrenten CureVac übernehmen. Dessen Gründer Ingmar Hoerr hat das lange erwartet und sieht den Schritt als Chance.
Eigentlich ist Ingmar Hoerr gerade fernab aller Nachrichten. Er ist im Urlaub in Tschechien, aber die Neuigkeit, dass sein früheres Unternehmen CureVac vom Konkurrenten BioNTech übernommen wird, hat ihn dann doch auf Umwegen erreicht. Hoerr ist Biologe und hat das Tübinger Unternehmen CureVac vor 25 Jahren gegründet.
Seit 2021 hat er keine offizielle Rolle mehr im Unternehmen. Aber dass ihn die Geschicke weiterhin interessieren und bewegen, ist im SWR Aktuell-Gespräch mit ihm deutlich zu spüren.
SWR Aktuell: Viele waren überrascht am Donnerstag, dass BioNTech CureVac übernimmt. Sie auch?
Ingmar Hoerr: (lacht) Ich habe mir das eigentlich vor einiger Zeit schon gedacht, dass da irgendwas im Busch sein könnte. Also gerade, als das mit Corona nicht geklappt hat bei CureVac. Ich habe eigentlich viel früher erwartet, dass da irgendwas verlautbart wird. Ich habe gedacht: Na ja, gut. Dann werden beide Unternehmen ihre eigenen Wege wohl gehen oder sowas. Jetzt bin ich doch ein bisschen überrascht, dass es dann doch geklappt hat. Es war wahrscheinlich viel zu verhandeln.
SWR Aktuell: Zuletzt waren die Unternehmen ja eher scharfe Konkurrenten und haben sich über Patente auch vor Gericht gestritten. Das wirkte eher wie eine Gegnerschaft – auch für Sie als Mitbegründer von CureVac?
Hoerr: Ich habe es eigentlich gar nicht so gesehen. Also am Anfang, als wir gegründet haben, in den 2000er Jahren, waren wir völlig allein. Und da konnten wir auch patentieren, was wir wollten. Das war erstaunlich, dass das alles so durchging. Acht Jahre später wurde dann BioNTech gegründet. Es war eigentlich auch in meinem Interesse. Deswegen habe ich Uğur Şahin damals getroffen und hab gesagt: Wir sind so ganz allein auf dem Terrain. Es ist so viel zu machen in dem Bereich. Wir sollten uns irgendwas gemeinsam überlegen. Ob wir nicht gemeinsam eine Konferenz ins Leben rufen, die mRNA-Health-Konferenz. Und dem war er gewogen.
Dann wurde gerade in den USA Moderna gegründet. Die wollte ich auch mit ins Boot holen für so eine RNA-Konferenz. Denn wir können alle profitieren davon. Wir nehmen uns ja nichts weg. Der Bereich ist so groß. Es ist so viel zu machen. Wir sollten uns eher zusammenschließen und das Feld begründen, das damals ja noch völlig im Dunkeln war. Das hat ja keiner irgendwie für voll genommen, diese RNA-Technologie. Dementsprechend sind wir eigentlich schon seit langer Zeit miteinander verbunden.
SWR Aktuell: Nichtsdestotrotz wollten Sie beide mit ihren Unternehmen Erfolg haben und Geld verdienen. Und viele interpretieren das jetzt so: CureVac hat den Kürzeren gezogen und ist jetzt der Verlierer in dieser Geschichte.
Hoerr: Das kann man so sehen. Keine Ahnung. Klar, CureVac war immer irgendwo unter Druck, weil ganz viele Umstände gegen den Erfolg sprachen. Auch die Umstände, dass ich ausgefallen bin und damals nicht die Entscheidungen treffen konnte. (Anmerkung der Redaktion: Ingmar Hoerr hat 2020 eine Hirnblutung erlitten und fiel in der ersten und möglicherweise entscheidenden Phase der Corona-Pandemie und Impfstoff-Entwicklung als CEO von Curevac aus). Das war sicher auch ein großes Unglück. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn der Impfstoff bei CureVac funktioniert hätte. Da wäre es vielleicht eine ganz andere Situation. Aber damit muss man offen umgehen.
Und noch mal: Ich glaube, ein ganz wesentlicher Punkt waren die Patente der CureVac. Da gab es ja große Streitigkeiten mit BioNTech und das hat mich auch sehr geärgert. Denn BioNTech wurde ja acht Jahre später gegründet. Und dementsprechend haben wir ganz viel patentieren können. Ich wollte es mir nicht schlechtreden lassen, dass diese Patente nicht wirksam sind. Es war klar, dass wir nicht während der Pandemie Forderungen gestellt haben. Es war klar, dass die Impfstoffe geliefert werden müssen. Aber es kann nicht sein, dass BioNTech große Einnahmen hat und CureVac völlig leer ausgeht.
Von daher bin ich schon der Ansicht: Wir hatten da auch Pech. Und ich denke, dass auch ganz viele Patente von uns zum Einsatz kamen bei der Corona-Strategie. Und dementsprechend ist auch eine Kompensation notwendig, also dass dann Lizenzgebühren gezahlt werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Patentstreitigkeiten zugunsten der CureVac ausgegangen wären. Und es kann sein, dass relativ viel Geld von der Seite wieder zu CureVac reingeflossen wäre. Vielleicht ist BioNTech dem jetzt zuvorgekommen und hat deshalb einfach alles komplett aufgekauft.
SWR Aktuell: Was bleibt bei Ihnen persönlich nach dieser Übernahme-Nachricht? Was überwiegt? Eher der Schmerz, dass das eigene Unternehmen - das es ja gefühlt vermutlich immer noch ist als Mitbegründer - den Kürzeren gezogen hat, oder die Freude darüber, dass es zum Glück irgendwie weitergeht?
Hoerr: Ich finde es einfach schade, dass der Name verschwindet. Das haben wir, mein Gründungspartner Florian von der Mülbe und ich, uns damals ausgedacht: CureVac. Also: cure wie kurieren, und vac von vakzinieren, also impfen - eine therapeutische Impfung sozusagen. Den Namen fand ich wirklich klasse. Und es ist echt schade, dass das jetzt Vergangenheit ist. Und wahrscheinlich wird sich kein Mensch in zehn Jahren mehr daran erinnern. Leider. Aber das ist normal. So ist der Gang der Dinge. Deswegen versuche ich, objektiv zu bleiben. Für das Feld der Vakzinierung, für das Feld der Impfung ist es sicher gut, dass jetzt so ein deutscher Multi sozusagen existiert. Die eigenen Befindlichkeiten kann man hinten anstellen.
Was ein ganz wesentlicher Punkt ist: In dem Bereich ist noch so viel zu machen. Das können wir uns noch gar nicht vorstellen, was da in 20, 30 Jahren alles passieren wird. Wir werden alle, glaube ich, diese RNA-Geschichten bei uns noch erleben, nicht nur als Impfstoffe, sondern auch in ganz anderen, vielfältigen Bereichen. Und ein bisschen Stolz schwingt natürlich mit, da die Ersten gewesen zu sein, weitaus die Ersten gewesen zu sein, die das damals hochgehoben haben.
Wir wurden ja auch ziemlich bekannt damals. Wir wurden eher angepöbelt: "Das sind die jungen Doktoranden aus Tübingen, was die sich vorstellen." Und ich und der Friedrich von Bohlen, der uns damals mitfinanziert hat, wir haben diese Vision immer gesehen. Also ich bin immer rumgelaufen und hab gesagt: Das wird die Welt verändern. Alle haben das belächelt. Ich bin sehr, sehr, sehr glücklich, dass ich da recht gehabt habe und jetzt kein Mensch mehr das in Zweifel zieht, wie damals.
Sendung am Fr., 13.6.2025 10:30 Uhr, SWR4 BW Studio Tübingen