Kartoffeln auf dem Laufband auf einem Kartofferoder bei der Rodung von Frühkartoffeln in Lauffen

Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz Pflanzenkrankheit Stolbur sorgt für massive Ernteausfälle im Südwesten

Stand: 10.06.2025 14:16 Uhr

Mit Zuckerrüben fing es an, doch nun sind auch Kartoffeln, Sellerie und anderes Gemüse in Gefahr. Eine unscheinbare Zikade bedroht heimisches Gemüse.

Von SWR

Eine Pflanzenkrankheit sorgt bei Kartoffel- und Gemüsebauern für massive Einbußen bis hin zum Totalausfall. Betroffen sind in einigen Teilen Deutschlands vor allem Zuckerrüben und Kartoffeln.

In Baden-Württemberg werden nach Angaben des Stuttgarter Landwirtschaftsministeriums aber auch Ertrags- und Qualitätsverluste bei Rote Bete, Sellerie, Kohl, Zwiebeln und Möhren registriert.

Pflanzenkrankheit Stolbur: Ministerium sieht "ernste Bedrohung"

Für die Ausbreitung der Pflanzenkrankheit Stolbur ist eine Zikaden-Art verantwortlich. Ein Ministeriumssprecher sprach von einer "ernsten Bedrohung" für die Versorgung mit heimischen Kartoffeln, Gemüse und Zucker.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, macht sich "sehr große Sorgen" wegen der rasanten Verbreitung der Schilf-Glasflügelzikade. Das Insekt saugt an Pflanzenteilen und überträgt so bakterielle Krankheitserreger auf Pflanzen. Das Tier kann im schlimmsten Fall ganze Ernten zerstören.  

Die Zikade kam aus Frankreich und verbreitet sich von Baden-Württemberg über Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen weiter in den Norden. Inzwischen wurde sie auch in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt entdeckt. Rukwied warnt vor enormen Ernteausfällen.

Vermehrung der Zikaden ist stark vom Wetter abhängig

Prognosen für dieses Jahr sind nach den Worten von Sabine Schütze aus der SWR-Umweltredaktion noch nicht möglich. Es sei sehr wetterabhängig, wie schnell sich die Zikaden vermehren. Das nass-kalte letzte Jahr war für die Insekten nicht so ganz optimal. Die kommenden heißen und trockenen Tage allerdings sind ideal für die Schilf-Glasflügelzikade, um sich rasant zu vermehren. Doch die Landwirte hoffen, die Ausfälle in diesem Jahr besser begrenzen zu können, weil ihnen nun erstmals mehrere Spritzmittel zur Verfügung stehen.

Notfallzulassung für Pflanzenschutzmittel gegen Zikade

Inzwischen dürfen Landwirte bei heimischen Kartoffeln Pflanzenschutzmittel gegen die Zikade einsetzen. Per Notfallzulassung wurde im April für mehrere regulär zugelassene Mittel die Anwendung für 120 Tage in begrenzter Menge ermöglicht. Für Zuckerrüben gelten nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bereits entsprechende Maßnahmen. Ende Mai wurde die Notfallzulassung auf Möhren, Rote Beete sowie Kohl erweitert.

Kartoffelernte: Verluste von bis zu 70 Prozent

Nach Angaben der Umwelt-Referentin des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg, Isabell Pergner, gab es im vergangenen Jahr allein in Baden-Württemberg in allen relevanten Rübenanbaugebieten Ertragsverluste von bis zu 25 Prozent und stark reduzierte Zuckergehalte. Im Kartoffelanbau wurden demnach Verluste von bis zu 70 Prozent dokumentiert.

Welke Kartoffeln werden seit 2024 vermehrt gefunden - etwa von Karlsruhe bis zur Hohenloher Ebene sowie von Heilbronn über Ludwigsburg bis Stuttgart.

Verbandssprecherin: Pflanzenschutzmittel regulär zulassen

"In einigen Betrieben steht der Fortbestand des Anbaus infrage", so die Verbandssprecherin. Die Krankheit entwickle sich zu einem ernsthaften wirtschaftlichen Risiko für ganze Regionen. Es brauche deshalb dringend eine reguläre Zulassung wirksamer Pflanzenschutzmittel sowie die gezielte Förderung praxisnaher Forschung zu Resistenzzüchtung und nachhaltigen Bekämpfungsstrategien.

Seit langem Kampf gegen die Zikade in Rheinland-Pfalz

Auch in Rheinland-Pfalz ist die Zikade seit langem angekommen und hat in Rheinhessen sowie der Pfalz im letzten Jahr sogar schon für komplette Ausfälle bei den Kartoffeln gesorgt. Denn wenn etwa Pommes-Kartoffeln zur Hälfte befallen sind, ist die komplette Ernte unverkäuflich. Vergangenes Jahr haben die Insekten zudem für etwa 25 Prozent weniger Ertrag bei den Zuckerrüben gesorgt und für deutlich geringere Zuckergehalte.

Stolbur in Rheinland-Pfalz erstmals 2006 nachgewiesen
In Rheinland-Pfalz wurde Stolbur an Kartoffeln erstmals 2006 nachgewiesen. Von 2007 bis 2010 wurde Stolbur bei einem Rheinland-Pfalz-weiten Monitoring in mehreren Praxisflächen festgestellt. Seit 2021 tritt Stolbur massiv auf; insbesondere in wärmebegünstigten Lagen wie dem Rheingraben und der Pfalz. Quelle: Landwirtschaftsministerium RLP

In Rheinhessen hieß es im Januar, der Zuckergehalt sei mit knapp 15 Prozent nicht besonders hoch. Er gehe wegen der Zikade seit Jahren kontinuierlich zurück. Mittlerweile sei das gesamte Anbaugebiet von dem Schädling befallen. Auch Kartoffeln und Gemüse wie Rote Beete sind laut Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer betroffen. Experten haben das Insekt schon an Spargel und Rhabarber nachgewiesen.

Keine Gesundheitsgefahr durch Stolbur für Menschen

Nach Angaben der Verbände und Behörden gibt es keine Hinweise, dass Stolbur für den Menschen gesundheitsschädlich sein könnte. Auch kommen Kartoffeln und Gemüse mit gummiartiger Konsistenz oder bei Anzeichen von Fäulnis erst gar nicht in den Handel.

Sendung am Mo., 9.6.2025 12:00 Uhr, Nachrichten, SWR Kultur

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