
Baden-Württemberg "Apokalyptisch": So geht es den betroffenen Familien nach dem Tornado in Ulm
Vor etwa einer Woche tobte ein Tornado in einem Ulmer Teilort, zerstörte Dächer und Autos, riss mehrere Bäume aus. Wie es den besonders stark betroffenen Familien heute geht.
Noch immer sind die Spuren des Tornados im Ulmer Stadtteil Gögglingen-Donaustetten zu sehen. Noch immer wird fleißig daran gearbeitet, die in Teilen zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Am 4. Juni zieht ein Tornado der Stärke "IF2" durch den Ulmer Teilort, richtet große Schäden an - besonders bei zwei Familien.
Erinnerungsstücke durch Tornado zerstört
Sie können schon wieder lachen - das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Familie Mölter musste sich von vielen Dingen trennen. Von Erinnerungsstücken, von alten Fotos, aber auch von Haushaltsgeräten und Möbelstücken. Das alles fiel dem Regen und Hagel nach dem Tornado zum Opfer, der Anfang Juni über ihr Haus fegte und Teile des Daches mit sich riss.
Das hätte gefährlich sein können. Aber in dem Moment registriert man das wahrscheinlich gar nicht Heidi Mölter, Hausbesitzerin in Gögglingen-Donaustetten
"Man versucht, nicht zu arg darüber nachzudenken", sagt Wolfgang Mölter. Die Familie habe Glück gehabt, dass ihr Haus so solide gebaut wurde. Das zumindest habe ein Sachverständiger dem Rentner erklärt. Andernfalls "wäre wahrscheinlich die Fassade auch mitbetroffen gewesen. Die wäre wahrscheinlich eingestürzt."
Angst hatte Heidi Mölter in den wenigen Sekunden keine, in denen der Tornado Teile ihres Hauses zerstört hat und sie plötzlich in ihrem eigenen Dachgeschoss im Freien stand. "Im Nachhinein sage ich: Ja, das hätte gefährlich sein können", so Heidi Mölter, "aber in dem Moment registriert man das wahrscheinlich gar nicht."
Wegen Verwüstung durch Tornado: "33 Jahre zurückversetzt"
Eineinhalb Wochen später sind die ersten Arbeiten am Haus bereits erledigt. "Die ganze Isolation war nass, musste alles raus", erzählt Wolfgang Mölter. "Die ganzen Wandverkleidungen sind entfernt worden. Unsere Handwerker haben hier richtig gute Arbeit geleistet." Das stimmt das Ehepaar zumindest etwas zuversichtlich.

Vieles im Dachgeschoss der Mölters war nach dem Unwetter durchnässt und musste entfernt werden.
Doch aktuell fühlt sich Heidi Mölter eher um "33 Jahre zurückversetzt." Damals habe das Haus im Rohzustand ähnlich ausgesehen, kurz bevor die Familie eingezogen ist. Jetzt muss sie wieder warten, bis sie erneut in ihr Haus einziehen kann. Das könnte noch zwei bis drei Monate dauern, schätzt Wolfgang Mölter.
Vorher stehen noch einige Schreinerarbeiten am und im Haus an. Immerhin: Mit den meisten Versicherungen sei soweit alles geklärt, erzählt Wolfgang Mölter. "Jetzt können wir nur hoffen, dass es möglichst schnell vonstatten geht." Denn aktuell ist das Dach teilweise nur mit einer Plane abgedeckt.
Wenn man die Freunde und Nachbarn nicht gehabt hätte, die uns aufgefangen haben, dann wäre es uns noch dreckiger gegangen. Heidi Mölter, Hausbesitzerin in Gögglingen-Donaustetten
In den ersten Tagen, nachdem der Tornado ihr Haus verüstet hatte, kamen die Mölters bei Bekannten unter, dann in einem Hotel. Inzwischen hat das Ehepaar eine Ferienwohnung gemietet, zumindest mal bis Ende Juli. Heidi Mölter ist "sehr dankbar" über die Hilfe ihrer Freunde und der Nachbarschaft. Ohne sie "wäre es uns noch dreckiger gegangen."
Ein mulmiges Gefühl bleibt

Heidi und Wolfgang Mölter begutachten die Schäden in ihrem Dachgeschoss. Die ersten Arbeiten sind schon erledigt.
So bleibt bei den Mölters ein mulmiges Gefühl, wenn sie auf die Wettervorhersagen schauen. "So unbefangen wie früher können wir wahrscheinlich nicht mehr sein", erklärt Heidi Mölter. Denn: nach einem vollgelaufenen Keller vor wenigen Jahren ist es der zweite Unwetterschaden binnen kurzer Zeit. Und die nächsten Unwetter drohen bereits, sorgen so bei dem Ehepaar für "Magenschmerzen".
"Der pure Wahnsinn" in Ulm
Auch das Nachbarshaus der Mölters blieb von dem Tornado nicht verschont. Bewohnerin Petra Wache erinnert sich noch an das "Getöse und den Lärm" des "Horrorsturms". Und wie ihr Mann ihr aus dem Dachgeschoss zurief, das Dach werde weggerissen. Für Petra Wache war es "der pure Wahnsinn."

Petra Wache hatte Glück im Unglück. Ihr Haus ist zwar auch durch den Tornado in dem Ulmer Teilort Gögglingen-Donaustetten beschädigt worden, bleibt aber bewohnbar.
Weil sie sah, wie Ziegel, Balken und Mülleimer herumwirbelten, vermutete Petra Wache direkt einen Tornado. "Ich dachte, mir drückt es das Küchenfenster und die Haustüre ein, so eine Wucht war dahinter. Ich habe furchtbar Angst gehabt." Nach wenigen Sekunden war das Schlimmste schon vorbei. Doch "die Bilder kriegt man kaum aus dem Kopf", es sei wirklich "apokalyptisch" gewesen.
Doppeltes Glück im Unglück
Das zeigen auch die Bilder von der Straße, in der die Mölters und Waches leben: Große Löcher prägen den Asphalt, verursacht von den umherfliegenden Ziegeln. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn so ein Ziegel einen Menschen auf der Straße getroffen hätte oder durch ein Fenster geschleudert worden wäre. Doch niemand wurde durch den Tornado verletzt.

Im Asphalt vor den beschädigten Reihenhäusern in Ulm Gögglingen-Donaustetten gibt es zahlreiche dieser Löcher. Kleine Teile der roten Ziegel, die beim Aufprall auf die Straße abplatzten, sind noch leicht zu erkennen.
Petra Wache und ihr Mann hatten sogar noch etwas mehr Glück, trotz eines Schadens am Dach: Ihr Haus bleibt bewohnbar. Direkt am nächsten Morgen nach dem Tornado stand eine Dachdeckerfirma vor der Tür. Kurz nachdem die Familie den Auftrag erteilt hatte, "war schon das Gerüst gestanden". Es sei alles etwas "provisorisch im Moment", erklärt Petra Wache. Oben sei aktuell kein Strom verfügbar. Aber "ich kann kochen, ich kann kühlen, ich kann waschen - alles gut."
"Irre Nachbarschaftshilfe"
Wie die Mölters konnten sich auch die Waches auf eine "irre Nachbarschaftshilfe" verlassen, berichtet Petra Wache. Alle Nachbarinnen und Nachbarn seien nach dem Unwetter direkt zu den beiden Familien gekommen und hätten ihre Hilfe angeboten.

Im Haus der Familie Wache sind noch Wasserrückstände an den Decken zum Dachgeschoss zu sehen.
Selbst "wildfremde" Menschen hätten noch an dem Abend des Tornados an ihrer Tür geklingelt und ihr und ihrem Mann angeboten, bei sich zu übernachten, erzählt Petra Wache. "Das tut gut."
Sendung am Sa., 14.6.2025 16:30 Uhr, SWR4 BW Studio Ulm